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Alt 19-09-2005, 20:37   #316
Starlight
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„Koz“ und Swartz gehen hinter Gitter

Einer der Aufsehen erregendsten Betrugsfälle, die die Wall Street in den letzten Jahren verfolgt hatte, ist zu Ende: Der ehemalige Tyco-Chef Dennis Kozlowski und sein Finanzchef Mark Swartz wurden am Montagmittag in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt, ihre 25-jährige Haftstrafe begann sofort.

Dass der Gerichtssaal in Downtown Manhattan bis zum Bersten gefüllt war, überraschte niemanden. Der Tyco-Skandal war einer der aufregendsten Fälle selbst an der Wall Street, wo man in den vergangenen Jahren soch so manchen großen Dienstahl und manchen langen Prozess mitverfolgt hat. Doch selbst in einem Umfeld von Enron und WorldCom war der Fall Tyco etwas besonderes. Denn nirgendwo sonst manifestierte sich so bunt die blanke Gier, die Kozlowski und Swartz kriminell werden ließ.

Unvergessen sind die Bilder von einer Geburtstagsparty, die Kozlowski auf Firmenkosten seiner Frau Karen ausrichten ließ. Transport und Unterbringung von hunderten von Gästen nach Sardinien, eine römisch inspirierte Orgie samt halbnackter Gladiatoren und der Musik von Party-Legende Jimmy Buffet kosteten den NYSE-notierten Konzern mehrere Millionen Dollar. Ein Duschvorhang für 6000 Dollar in der Wohnung des CEO war ebenso in den Schlagzeilen wie der noch teurere Schirmständer. Und über den illegalen Transfer einiger Kunstwerke über verschiedene Tyco-Niederlassungen, mit dem Kozlowski die Steuer umgehen wollte, las man auch in epischer Breite.

Das Interesse der Bevölkerung an einer Verurteilung Kozlowskis war umso höher als ein erster Prozess vor einem Jahr ohne Urteil endete. Es war einer jener Fälle, in denen Otto Normalverbraucher und Experten in Wirtschaft und Recht gemeinsam am Sinn des Geschworenen-Systems zweifeln. Eine einzelne, ältere Dame in der Laien-Jury hatte im ersten Prozess die Schuld der Tyco-Chefs nicht erkannt, womit ein einstimmiges Urteil passe und eine Strafe für Kozlowski erst einmal vom Tisch waren.

Dass Kozlowski nun für bis zu 25 Jahre hinter Gitter muss – auch wenn er theoretisch nach einem Drittel der Zeit begnadigt werden könnte –, ist Beobachtern umso wichtiger, als der Tyco-Prozess der erste auf Staats-Ebene war. Die 25-jährige Gefängnisstrafe für den WorldCom-Chef Bernie Ebbers war ebenso wie die 15-Jahres-Strafe für den Adelphia-CEO John Rigas von Bundesrichtern gegeben worden – jetzt sind Beobachter beruhigt darüber, dass die staatlichen Stellen ebenso harsche Strafen geben.

Apropos harsch: Mitleid hat kaum jemand mit Kozlowski und Co. In einer CNN-Umfrage direkt nach der Erklärung des Strafmaßes urteilten 66 Prozent der Befragten, dass „Koz“ noch viel zu gut weggekommen sei. 30 Prozent finden, dass die Strafe angemesen ist und nur 4 Prozent hätten den ehemaligen Tyco-Chef weniger hart angefasst.

Das könnte damit zusammenhängen, dass sich Kozlowski und Swartz bis zuletzt keiner Schuld bewusst waren. Im Gegenteil: Noch am Montagmorgen hatte der Hauptangeklagte mit dem zuständigen Richtger verhandelt und gebeten, man möge bei der Einschätzung des Strafmaßes doch auch beachten, wieviele gute Taten und vor allem Spenden er in den letzten Jahren gegeben habe. Da diese aber von den rund 600 Millionen Dollar bezahlt wurden, die Kozlowski und Swartz ihrem Unternehmen geklaut hatten, scheint der Richter durch das Last-Minute-Geplärr nicht mehr zu beeindrucken gewesen sein.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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