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Alt 06-08-2007, 20:35   #720
Starlight
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Insourcing baut Frust ab

Ob die Spülmaschine spinnt oder das Handy, ein Versandhaus nicht liefert oder der Satellitenempfang streikt: Wer einen Kundendienst anruft, wird mit einem Helfer im fernen Indien oder China verbunden, der freundlich aber ungelenk durch sein Manuskript stolpert. Den ohnehin frustrierten Kunden nervt das, und für die Wirtschaft ist es auch ein Problem.

Vor allem in ländlichen Gegenden in ganz Amerika ist man seit Jahren verbittert über den Service aus Übersee. Dass die billigen Arbeitskräfte in Bangalore oder Guangzhou die Sprache des Kunden kaum können, ist dabei nur ein Ärgernis. Viel schlimmer ist, dass das Outsourcing der Telefonzentralen zigtausende von amerikanischen Arbeitsplätzen vernichtet hat. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.

Lange nachdem Amerika von Outsourcing die Nase voll hat, kommt nämlich jetzt das Insourcing. So hat die indische Tata Group, die Callcenter für Kunden aus allen Branchen betreut, jüngst einen riesigen Komplex mitten in Ohio angemietet. Für Unternehmen, die ihren Kunden den mühsamen Weg durchs nicht englisch sprechende Ausland ersparen wollen, nehmen hier 250 amerikanische Mitarbeiter den Hörer ab.

Sie kümmern sich um die Kundensorgen von, beispielsweise, Expedia.com, wo man dafür gernen einen Aufpreis zahlt. Für das Online-Reisebüro zahle sich das aus, sagt ein Firmensprecher. Denn die Mitarbeiter am Telefon bräuchten nun einmal tiefgreifende Kenntnisse über die amerikanische Geographie, um Kunden bei der Buchung von Flügen wirklich helfen zu können.

Andere Unternehmen haben andere Gründe, warum sie einen Teil des „Customer Service“ im eigenen Land behalten wollen. Die einen tun es, um Premiumkunden zu betreuen, die anderen für telefonische Härtefälle, in denen Rücksprache mit oder Überwachung durch die Firmenzentrale vielleicht von Vorteil sein kann. Bei Tata reagiert man mit dem Business in Ohio jedenfalls auf eine deutliche Verschiebung der Kundenbedürfnisse.

Globalwirtschaftlich findet damit ein interessanter Wechsel statt. Zwar ist es nicht das erste Mal, dass ausländische Konzerne in Amerika bauen und heuern. Immerhin arbeiten bereits 5,1 Millionen Amis unter fremder Flagge. Doch war es bisher vor allem das Produzierende Gewerbe, wo Konzerne aus aller Welt Produkte für den amerikanischen Markt vor Ort herstellen wollten. Bestes Beispiel dafür: die Automobilindustrie, in der sich Mercedes-Benz, Toyota und andere „Global Player“ längst zwischen New York und Kalifornien breit gemacht haben.

Dass nun der Dienstleistungsbereich verstärkt nach Amerika zurück kommt ist neu – und kommt gut an. Vor allem weil Unternehmen wie Tata Group alles dafür tun, das negative Image loszuwerden, das der Branche bisher anhaftete. Callcenter-Betreiber sollen nicht länger als Arbeitsplatzvernichter und Billigheimer dastehen, und entsprechend gibt man den guten „Corporate Citizen“, der sich am öffentlichen Leben beteiligt und auf sonst großzügig ist. Die Tata Group ließ ihre Mitarbeiter jüngst einen Kinderspielplatz renovieren, man fährt in der örtlichen Thanksgiving-Parade mit, und man spendete 500 Dollar an die Familie eines Mitarbeiters, der bei einem Autounfall verletzt worden war.

Solche Nachbarn hat man in Ohio gerne. Die Inder sind als Arbeitgeber beliebt, und so scheint das Konzept vom Insourcing aufzugehen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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