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Alt 02-08-2007, 20:28   #717
Starlight
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Elmo bringt China in Bedrängnis

Elmo hüpft, tanzt und singt und – ist giftig. Kein Bewohner der Sesamstraße ist bei amerikanischen Kids so beliebt wie das rothaarige Monster mit den Glubschaugen. Zigtausende von Elmos kamen jetzt aber mit bleihaltiger Farbe auf den Markt, und das ist gefährlich – für Kinder und für die Beziehungen zwischen den USA und China.

Ein chinesischer Hersteller, der Elmo und den gelben Vogel Bibo für den amerikanischen Spielzeugriesen Mattell produziert, hat über einen Zulieferer Farben mit hohem Bleigehalt bekommen, die für amerikanische Waren verboten sind. Werden sie von Kindern geleckt oder verschluckt, kann das zu Hirnschäden führen. Entsprechend schlägt Mattell Alarm und ruft 1,5 Millionen Spielwaren zurück, außer Elmo und Bibo noch mehr als 80 verschiedene Fisher-Price-Produkte.

In China beobachtet man das mit äußerster Besorgnis. Nicht weil ein paar amerikanische Kids ihren Elmo umtauschen müssen, sondern weil der Rückruf tiefgreifende Folgen für das Land hat, dessen Produkthinweis „Made in China“ immer mehr in ein schlechtes Licht gerät. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass Produkte aus den Fabriken in der Wachstumsprovinz Guangdong mangelhaft geliefert wurden. Dass es diesmal einen Großkonzern in einer der empfindlichsten Branchen erwischt hat – nirgends wird auf Sicherheit so Wert gelegt wie bei Kinderspielzeug –, macht die Sache umso schlimmer.

So hat sich die Regierung umgehend eingeschaltet. „99 Prozent unserer Produkte genügen den höchsten Sicherheitsstandards“, erklärte Wirtschaftsminister Bo Xilai, der damit aber vor allem eine oft gehörte Standardansage wiederholt. Sein Stellvertreter Gao Hucheng bat derweil die internationale Presse, das Problem nicht hochzuspielen.

Die Panikmache der Medien, die man in China für übertrieben hält, könnte zu einer neuen Art von Protektionismus führen, wettert Schanghai. Vor diesem fürchtet man sich, weil längst ein Großteil des Landes von den Lieferungen von billigen Spielsachen, aber auch Kleidung, Elektrogeräten und Industriebauteilen an die USA und andere Industriestaaten abhängig ist.

Über das eigentliche Problem täuschen die Worte der Regierung aber nicht hinweg. Nun mag es durchaus sein, dass die Mehrheit der in China produzierten Waren durchaus internationalen Maßstäben genügt. Und des mag auch stimmen, dass auch in anderen Ländern mal irgendein schadhaftes Produkt durch Löcher im Kontrollsystem rutscht. „Aber in China sind diese Löcher größer“, weiß Kent Kedl, der als amerikanischer Outsourcing-Experte chinesische Hersteller berät.

Für die Zukunft der Hersteller in China ist Kedl ungebrochen optimistisch. „Der Markt ist viel zu groß und stark als dass amerikanische Firmen hier einfach abziehen könnten“, meint er. Doch angesichts immer neuer Warnungen werden die Unternehmenskunden doch zumindest vorsichtiger. Denn einen PR-Gau wie im Mattell-Fall will sich kein Konzern leisten. Wer einmal mit giftigem Spielzeug in den Schlagzeilen stand, bekommt diesen Makel nicht so schnell los. Dann kann Elmo – mit neu bemaltem Fell – noch so niedlich mit den Augen rollen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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