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Alt 01-08-2007, 20:49   #716
Starlight
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Öl wird teurer, Benzin wird billiger

Bei rund 13 200 Punkten – ganze 6 Prozent unter dem jüngsten Allzeithoch – versucht sich die Wall Street zur Wochenmitte zu stabilisieren. Das ist schwer, denn die Kreditkrise zieht immer weitere Kreise, und sie ist nicht einmal das einzige Problem des Marktes: Der Ölpreis steigt auf Rekordniveau, und es ist nur gut, dass der Verbraucher das nicht mitkriegt.

Am Mittwochmorgen hat der Ölpreis in New York mit 78,70 Dollar pro Fass ein neues Allzeit-Hoch erreicht. Später gab Kurs etwas nach, doch ist der Trend klar: Das schwarze Gold wird teurer, hält nahezu ungebremst auf die 80 Dollar zu, und wenn Experten Öl bald bei 100 Dollar sehen, mag das zwar pessimistisch sein, aber sicher nicht unrealistisch.

Schuld an den jüngsten Kursanstiegen sind die Lagerbestände der letzten Woche, die am Morgen gemeldet wurden. Danach ist der Pegel bei Rohöl um 6,5 Millionen Fass gefallen, während Analysten nur mit einem Minus von nur 700 000 Fass gerechnet hatten.

Eine Erholung ist nicht in Sicht. Schließlich bauen die jüngsten Preisanstiege längst nicht mehr auf der geopolitisch unsicheren Lage oder gar einzelnen Krisen, wie sie hin und wieder die Förderung in Nigeria oder Venezuela behindern. Auch hat bisher, in der Mitte der Hurrikan-Saison, noch kein einziges Unwetter die Bohrinseln heimgesucht. Die Opec hat die Förderquoten zuletzt nicht gesenkt… nein, die sinkenden Pegel in den Staaten und die höheren Preise für Öl sind einzig und allein auf eine Ursache zurückzuführen: die steigende Nachfrage aus China.

Die massive Industrialisierung in China und anderen Schwellenländern hat den Öl-Markt nicht nur massiv verändert, sondern auch langfristig. Mit anhaltend hohen Preisen ist also zu rechnen, und darunter leiden die Industrieriesen von Chemie und Materialien bis hin zu Produktion.

Relativ ungeschoren kommt hingegen der Transportsektor davon – und der Verbraucher. Denn während Öl massiv im Preis steigt und in den letzten zwei Monaten um fast 25 Prozent teurer geworden ist, sind die Benzin-Futures seit Mai um 7 Prozent gefallen. Der Sprit an der Tanke ist im gleichen Zeitraum um ganze 11 Prozent billiger geworden.

Zu verdanken hat man das den Spekulanten. Die haben nämlich im Winter massiv Benzin-Futures für den Sommer gekauft und aufgrund der klassischen Faktoren – hohes Verkehrsaufkommen, Sturmschäden an den Raffinerien – mit steigenden Preisen gerechnet. Es kam nun aber anders. Einige Raffinerien, die zuletzt lange in Reparatur standen, sind wieder am Netz, arbeiten stärker als erwartet, und so ist die Benzinknappheit, auf die sich die Zocker verlassen hatten, nicht eingetreten.

Die Benzinlager steigen seit Wochen, die Pegel stehen saisonal gerechnet so hoch wie lange nicht mehr. Das entlastet die Verbraucher enorm und dürfte sich in den letzten Wochen auch auf das Verbrauchervertrauen ausgewirkt haben.

Umso mehr müssen Anleger im Hinterkopf behalten, dass billiger Sprit mit großer Washrscheinlichkeit kein Dauer-Phänomen ist. Ein einziger Hurrikan mit Schäden an den Raffinerien kann den Trend beenden. Solange aber tankt Amerikaner günstiger, und die strauchelnde Börse hat zumindest eine Sorge weniger.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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