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Alt 23-02-2020, 13:24   #1
Benjamin
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Coronavirus-Pandemie

21.02.2020

IFW-PRÄSIDENT IM INTERVIEW
Gabriel Felbermayr warnt vor den Folgen des Coronavirus für die Weltwirtschaft
IfW-Chef Felbermayr schätzt die Risiken des Coronavirus als enorm ein. Die jetzige Krise könne der Beginn einer weniger globalisierten Weltwirtschaft sein.

von Dr. Jens Münchrath,
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik...C02nPfV6Rc-ap2
https://www.handelsblatt.com/politik.../25563140.html
Alle folgenden Zitate stammen aus diesem o. g. Artikel siehe Link-Quellen, Texthervorhebungen sind von mir hinzugefügt:

Zitat:
Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, sieht in der Corona-Epidemie „die größte Bedrohung für die Weltwirtschaft, sowohl was den Handel als auch das Wachstum angeht“. „Die jetzigen Entwicklungen in China zeigen plötzlich, wie fragil das System ist“, sagt Felbermayr im Interview mit dem Handelsblatt. „Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass das Virus sich als Lehman-Moment erweisen könnte, so der Wirtschaftswissenschaftler.
Zitat:
„Die Bedrohung trifft auf eine Weltwirtschaft, die schon jetzt zwei Schwächen aufweist: Einerseits befinden wir uns am Rande einer globalen Industrierezession, wobei Deutschland überdurchschnittlich belastet ist. Andererseits war auch der Welthandel im vergangenen Jahr schon rückläufig, als es die Epidemie noch gar nicht gab“, erklärt der Ökonom. Jetzt komme noch dieser Schock dazu.
Zitat:
Gerade die deutsche Wirtschaft ist international so vernetzt und produziert stark in China. Es wird zu Produktionseinschränkungen in den kommenden Wochen, womöglich sogar zu Produktionsstopps kommen und damit auch zu Lieferproblemen – und zwar in einer ganzen Reihe von Branchen. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in Korea, Taiwan und Japan, abgeschwächt sogar in den USA.
Zitat:
Das heißt für Ihre Wachstumsprognose?
In der Summe rechne ich aus jetziger Sicht für Deutschland in diesem Jahr mit Wachstumseinbußen von 0,2 Prozentpunkten auf dann nur noch 0,9 Prozent. Voraussetzung allerdings ist, dass die Effekte von Corona sich auf das erste Quartal beschränken und dass China trotz der Krise immer noch im Gesamtjahr um fünf Prozent wächst. Das allerdings scheint aus jetziger Sicht wenig wahrscheinlich.
Zitat:
Wie erklären Sie sich, dass sich die Börsen trotz dieser Szenarien so schnell erholt haben?
Gute Frage, eine wirklich gute Erklärung fällt mir da schwer. Schon seit zwei, drei Jahren haben sich die Aktienmärkte von der Realwirtschaft abgekoppelt. Ich kann mir das eigentlich nur mit Liquiditätsschwemme durch die Notenbanken erklären. Die Märkte erwarten, dass die Zentralbanken die Zinsen noch weiter drücken.

Mich würde es nicht wundern, würde die EZB bei einer weiteren Verschärfung der Chinakrise den Leitzins auf bis zu minus 0,5 senken. Das heißt, die Notenbanken schaffen die Basis für diese Entkopplung von der Realwirtschaft.
Zitat:
[B]China war immer unter der Voraussetzung politisch stabil, dass es sein Wachstumsversprechen einlösen kann. Im Moment stellt sich die Frage, ob die Kommunistische Partei das künftig noch leisten kann.

Sollte es eine deutliche Verringerung des Wachstums oder sogar eine Rezession geben, wird das die Handlungsspielräume der Regierung in Peking massiv einschränken. Solche Aufstände, wie wir sie in den vergangenen Monaten in Hongkong gesehen haben, könnte es dann in vielen der reicheren Küstenstädte geben. Das ist ein enormes Stabilitätsrisiko für das Regime und führt zu einer latenten Instabilität.
Zitat:
Fakt ist: Nicht nur die Handelskonflikte bremsen den internationalen Warenaustausch, sondern auch Pekings Kampf gegen die Epidemie. Sehen Sie nachhaltige Effekte? Erleben wir derzeit womöglich eine Zeitenwende, eine Rückabwicklung der Globalisierung?
Diese Wende erleben wir schon mindestens seit zehn Jahren.
Seit 2008 wächst die globale Industrieproduktion schneller als das Volumen des Welthandels. Vorher war es jahrzehntelang genau umgekehrt. Seit 2008 erleben wir also eine Deglobalisierung, wenn auch in den Auswirkungen noch recht moderat. Vor Donald Trump waren es die nicht tarifären Handelsbarrieren, die bremsend wirkten, mit Trump kommen die steigenden Zölle hinzu.

Und dann gibt es noch den Trend, dass die Höhe der Löhne nicht mehr ganz so entscheidend ist für die Höhe der Kostenpositionen der Unternehmen, da die Produktionsmethoden kapitalintensiver sind. Auch die Angst vor einer Epidemie wird die Mobilität der Menschen einschränken. Manager werden sich überlegen, welche Reiserisiken sie noch eingehen. Dieser psychologische Effekt wird den Deglobalisierungstrend verschärfen.
Zitat:
die globale Wirtschaftsdynamik nicht empfindlich dämpfen, weil die Effizienzgewinne, die durch die internationale Arbeitsteilung entstehen, verschwinden?
Den Trend sehen wir ja schon länger,
und das Coronavirus wird ihn beschleunigen. Der nächste Rückschlag für den Welthandel ist schon absehbar, nämlich wenn wir zu einer realistischen Bepreisung der CO2-Emissionen im internationalen Transport kommen werden. Die Containerschiffe verbrennen steuerfrei Diesel, Flugzeuge verbrauchen steuerfrei Kerosin. Das wird nicht so bleiben. Die Zeichen stehen also klar auf Entschleunigung des Welthandels.
Zitat:
Und das Virus könnte so eine Art Game-Changer der Globalisierung sein?
Ja, die jetzigen Entwicklungen in China zeigen plötzlich, wie fragil das System ist. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass das Virus sich als Lehman-Moment erweisen könnte.
Wie bei der Pleite der US-Investmentbank 2008 ist das Selbstverständliche plötzlich nicht mehr selbstverständlich. Auch das Exportland Deutschland wird damit klarkommen müssen, dass stabile Lieferketten keine Selbstverständlichkeit mehr sind und dass China nicht immer ganz selbstverständlich tolle Wachstumsraten liefert.
Zitat:
Das heißt, die neuen Unsicherheiten könnten so schwere Folgen haben wie die Finanzkrise?
Allein das Bewusstsein für eine neue Fragilität kann einschneidende Effekte haben. Auch die Lehman-Pleite hatte nicht nur das Austrocknen der Finanzmärkte zur Folge, sie veränderte das Denken.
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Homepage von Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D., Präsident des Instituts für Weltwirtschaft: https://www.ifw-kiel.de/de/experten/...el-felbermayr/

Web-Info betr. Gabriel Felbermayr in der jeweils letzten Woche: https://www.google.de/search?q=Gabri...ih=738&dpr=0.9

Geändert von Benjamin (25-02-2020 um 09:24 Uhr)
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