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Alt 10-05-2007, 20:44   #665
Starlight
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US-Autos sparen Benzin – ab 2020

Wer in New Jersey sein Auto auftankt, bekommt einen besonderen Service geboten: an der Tanke wird bedient. Allerdings nicht um dem Kunden einen Gefallen zu tun, sondern „aus Sicherheitsgründen“, wie immer wieder betont wird. Angesichts steigender Benzinpreise macht das Sinn: Vielleicht ist es besser, die Fahrer im Auto sitzen zu lassen – sie könnten sonst wütend gegen die Zapfsäule treten.

Die Stimmung an amerikanischen Tankstellen – nicht nur in New Jersey – hat einen Tiefpunkt erreicht. Rechtzeitig zu Beginn der Hauptreisezeit klettert der Benzinpreis unaufhaltsam in die Höhe. Der Durchschnitt liegt längst bei mehr als 3 Dollar pro Gallone, in Kalifornien sind 3,45 Dollar fällig.

Damit kommt der amerikanische im Vergleich zum deutschen Autofahrer noch glimpflich davon, doch ist man solche Preise im Land der SUV und Straßenkreuzer nicht gewöhnt. Doch was tun? Weniger Auto zu fahren kann sich die Mehrheit nicht vorstellen, und Benzin sparende Fahrzeuge sind nicht die Spezialität der großen Hersteller in Detroit – ein Grund übrigens, warum die so groß nicht mehr sind.

Jetzt greift Washington ein. Am Mittwoch hat der Kongress ein Gesetz zur Regelung des Benzinverbrauchs auf den Weg gebracht. Neue Modelle müssen künftig pro Gallone 35 Meilen schaffen, das entspricht einem Verbrauch von 6,7 Litern auf 100 Kilometern. Gültig ist dieser Maßstab allerdings erst ab 2020, und angesichts dieser Vorbereitungszeit und den Standards in anderen Ländern ist umso lächerlicher, wie sich die Republikaner gegen den von der demokratischen Mehrheit unterstützten Entwurf stemmen.

„Ich bin sehr besorgt und glaube nicht, dass das Gesetz fair ist“, meint Trent Lott, der republikanische Senator aus Mississippi, der sich vor allem darüber ärgert, das künftig auch für Kleinlaster – und damit die Gewichtsklasse vieler Trucks und SUV – gesetzliche Maßstäbe gelten sollen.

Auch Ted Stevens ist gegen das neue Gesetz. Der republikanische Abgeordnete aus Alaska ist ein enger Freund der Öl-Industrie und hält von Benzinsparen gar nichts. Die betroffenen Unternehmen übrigens auch nicht: General Motors und Ford wehren sich gegen die neuen Regeln, die zeitlich nicht umsetzbar und viel zu teuer seien.

Das ist natürlich absurd und zeigt wieder einmal, wie wenig die amerikanische Automobil-Industrie gewillt ist, sich neuen Gegebenheiten am Markt anzupassen. Nicht zuletzt dem hohen Benzinverbrauch hat man es zuzuschreiben, dass die asiatische Konkurrenz – und vor allem Toyota – in den letzten Jahren den Automobilmarkt in den USA erobert hat.

Das sieht Chrysler-Legende Lee Iacocca so. Er hat gerade ein wütendes Buch geschrieben, in dem er nicht nur die unfähige und korrupte Politik in Washington angreift, sondern auch die schwache Führung in seiner Branche. „Weiß irgend jemand hier, wie man einen Automobil-Konzern führt“, fragt er verzweifelt.

Offensichtlich nicht. Sonst hätten sich die Hersteller längst auf effizientere Technologien einlassen. Denn das der Verbraucher spätestens bei steigenden Ölpreisen nach günstigeren Modellen Ausschau halten würde, hätte man erwarten können. Dass die Entwicklung solcher Technologien jetzt gesetzlich verankert wird, ist dem Machtwechsel in den USA zu verdanken; die Demokraten bringen mehr grüne Gesetze ein.

Haupt-Sponsorin der aktuellen Vorlage ist die demokratische Abgeordnete Dianne Feinstein. Sie vertritt den öko-freundlichsten Bundesstaat, Kalifornien. Dort gibt „Governator“ Arnold Schwarzenegger mehr Geld für die Entwicklung und Förderung alternativer Energien aus als alle Amtskollegen. Er muss das tun, schon allein für sein Karma: Ausgerechnet der grüne Gouverneur war es schließlich, der vor knapp zehn Jahren den Hummer straßentauglich gemacht und dem unerwartlichen Benzinverbrauch ein Symbol gegeben hat.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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