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Alt 22-08-2007, 20:50   #731
Starlight
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Die weiße Inflation

Ob die Inflation zu hoch ist, um eine Zinssenkung zu verhindern, wird an der Wall Street seit Wochen diskutiert. Dem Verbraucher dürfte das Gerede größtenteils suspekt sein, denn dem ist die Inflation schon lange zu hoch – er muss ja auch für Energie und Lebensmittel zahlen, die Konjunkturbeobachter in ihren Berechnungen ausklammern.

Dabei machen vor allem die hohen Energiekosten regelmäßig Schlagzeilen. Seit Jahren steigen die Öl- und Benzinpreise. Damit wird das Autofahren im Sommer ebenso teurer wie das Heizen im Winter, Unternehmen zahlen mehr für Öl-haltige Materialien wie Plastik, und für den Transport von Ware zum Kunden.

Weitgehend unbeachtet bleibt der andere Faktor: die schleichende Inflation bei Lebensmitteln. Bestes Beispiel: Milch. Der Kuh-Cocktail wird immer teurer, in weniger als einem Jahr ist der Preis für eine Gallone in den USA von 3 auf 4 Dollar gestiegen – das sind glatte 33 Prozent. Schuld daran sind die gestiegene Nachfrage nach amerikanischer Milch in Ländern mit wenig eigener Produktion und, Ironie des Marktes, wiederum der hohe Spritpreis.

Teures Benzin hat nämlich den Run auf Ethanol als alternativen Treibstoff ausgelöst. Immer mehr Landwirte bauen ihren Mais nun zur Gewinnung von Ersatz-Benzin an, statt ihn an Kühe zu verfüttern. Milch-Farmer zahlen historische Höchstpreise für ihr Futter, und legen das auf jeden Liter um, der aus dem Euter tropft. Dass die teure Milch danach auch noch mit Sprit fressenden Trucks in den Supermarkt gefahren werden muss, setzt wiederum ein paar Cent drauf.

Doch langsam scheint sich der Trend zu ändern. Rohstoff- und Landwirtschaftsanalysten glauben, dass der Milchpreis bald wieder auf bis zu 3 Dollar sinken dürfte. Das sei vor allem der höheren Produktivität der Kühe zu verdanken, sagt Ken Bailey von der Universität Pennsylvania. Ob die Tiere wissen, wie teuer der Mais geworden ist, sei einmal dahingestellt. Tatsache ist aber, dass sie mehr Milch geben und einen Teil der Preisanstiege dadurch wettmachen können.

Vielleicht haben auch die Milchbauern dem Vieh gut zugeredet. Wenn der Preis sinkt, ist das nämlich nicht nur dem Kunden wichtig, sondern auch für die Branche. Die Preisflexibiltät bei Milch ist geringer als man von einem Grundnahrungsmittel erwarten dürfte. Die Umsätze seien wegen der höheren Preise spürbar eingebrochen, meint Mark Parrish von der traditionsreichen Crescent Ridge Dairy Farm.

Bei hohen Preisen steige der Verbraucher auf billigere Drinks um – gesundheitliche Bedenken werden beiseite geschoben, wenn´s im Geldbeutel eng wird. Auch verwandte Milchprodukte, die wegen höherer Milchpreise teils geringere Margen abwerfen und teils teurer werden, sehen einen Nachfrageeinbruch. Der wiederum fällt auf Unternehmen wie Kraft und Starbucks zurück, die beide in den vergangenen Tagen entsprechende Fußnoten in ihren (allgemein recht starken) Bilanzen hatten. Die Inflation über Milch hat also durchaus Auswirkungen in alle Bereiche Corporate Americas.



Wer kauft die NYMEX?

In den Trading Pits an der Nymex ist das Geschrei groß – wie immer. Ein paar hundert Händler machen hier die Preise für Öl und Benzin, für Destillate und Metalle. Doch während Öl mal über, mal unter 69 Dollar geht, mischen sich ungewohnte Töne in den Tumult: Man diskutiert über die Zukunft der Rohstoffbörse.

Offiziell ist nämlich nur bekannt, dass die Nymex zum Verkauf steht und das Management mit einem interessierten Käufer verhandelt. Und während erste Spekulationen deutlich in Richtung NYSE Euronext zeigten, kamen später andere mögliche Kandidaten hinzu:

Ein Deal scheint sich Beobachtern fast aufzudrängen. Die Nymex hat kein eigenes Trading System und handelt daher über die elektronische Plattform der Chicago Mercantile Exchange (CME). Eine Übernahme durch die wichtigste amerikanische Warenterminbörse würde also ganz offensichtlich Synergien bringen und Kosten sparen. Mit letzterem hat man übrigens schon intern begonnen: Die Nymex hat am Mittwoch die Entlassung von 150 Mitarbeitern bekannt gegeben.

Einen Makel hat indes die CME: Sie ist auf dem europäischen Markt nicht präsent. Und neben Kostensenkungen und Shareholder Value hat man es bei der Nymex eben vor allem auf einen Markteinstieg auf dem alten Kontinent abgesehen. Das bringt einen weiten möglichen Käufer ins Bild: die NYSE Euronext. Seit der erfolgreichen Fusion mit der paneuropäischen Börse ist das Traditionshaus an der Wall Street an den Häusern in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon etabliert.

Nicht aber in Deutschland, und auch von dort wird Interesse an der Rohstoffbörse bekundet. Die Deutsche Börse in Frankfurt soll Spekulationen zufolge schon seit Wochen mit den New Yorkern verhandeln.

Wer auch immer die Nymex übernehmen wird, muss dafür tief in die Tasche greifen. Das Unternehmen, dessen Hauptquartier mit dem Trading Floor auf zwei Stockwerken direkt zwischen dem geplanten Freedom Tower und dem Hudson River in den Himmel ragt, rechnet mit einer „signifikanten Prämie“ auf den aktuellen Kurs. Ob das realistisch ist? Zugegeben: Bis Dienstag handelte das Papier der Nymex am unteren Ende der historischen Handelsspanne, nach einem Plus von 7 Prozent liegt man aber mittendrin.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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