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Alt 20-08-2007, 20:33   #729
Starlight
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Abschied aus London

In den Headquarters der amerikanischen Hightech-Börse Nasdaq fühlt man sich leicht im Zentrum der Welt. Das Gebäude mit seinem überdimensionalen runden Fernsehschirm und dem Showroom für internationale Fernsehsender steht mitten am New Yorker Times Square – draußen vor dem Fenster defiliert die ganze Welt vorbei.

London ist da weit weg. Eine neblige, verregnete Stadt irgendwo vor Europa. Eine Stadt, die gerne das Finanzzentrum der Welt werden würde… eine Stadt, die man an der Nasdaq nicht mehr mag, seit der groß angelegte Übernahmeversuch der London Stock Exchange vor einem halben Jahr gescheitert ist.

Mit der LSE wollte sich die Nasdaq in Europa einkaufen, während zur gleichen Zeit ein paar Kilometer südlich die Konkurrenten der New York Stock Exchange den Merger mit der pan-europäischen Euronext wasserdicht machten. Zunächst heimlich, dann immer offener sammelte die Nasdaq LSE-Aktien, einen Anteil von 31 Prozent hatte man schließlich und damit genug Gewicht, den Kauf voranzutreiben.

Doch das Werben der New Yorker um London war vergeblich; der mit 2,7 Milliarden Pfund bewertete Deal wurde abgeschmettert. Laut intenrationalen Börsenregeln darf die Nasdaq nun bis Februar 2008 kein neues Angebot einreichen.

Doch so lange will man nicht stillsitzen. Kann man auch nicht inmitten all der Energie am Times Square. Und sollte man auch nicht, denn ein zweiter Übernahmeversuch käme in London ja nicht zwingend besser an als der erste. So verabschiedet sich die Nasdaq aus der Regen-Metropole und bietet den 31-prozentigen Anteil an, den man noch an der LSE hält.

Runde 1,56 Milliarden Dollar ist das Aktienpaket zur Zeit Wert, und Nasdaq-Chef Bob Greifeld macht sich berechtigte Hoffnungen auf eine Prämie. Denn an Interessenten dürfte es nicht mangeln. Immerhin: Wer das Nasdaq-Paket kauft hätte in einem neuen Übernahmeversuch auf jeden Fall die Nase vorn. Das dürfte die Deutsche Börse in Frankfurt interessieren. Und auch die NYSE Euronext, wobei sich die Nasdaq bestimmt allerlei ausdenken würde, um einen Verkauf der LSE-Anteile an den direkten Konkurrenten zu verhindern.

Am naheliegendsten ist zur Zeit wohl, dass die Börse Dubai zuschlägt. Die hat gerade ein Angebot für die Börse Stockholm eingereicht, an der eigentlich die Nasdaq interessiert gewesen war. Würde nun Dubai in London zuschlagen, dafür die Finger von Stockholm lassen wären alle bedient – allen voran übrigens die Investoren der Nasdaq. Die würden sich nämlich nicht nur über einen Sonderposten freuen, der den geplanten Gewinn im laufenden Quartal auf 35 Cent versiebenfachen würde. Vielmehr wäre man einen Klotz los, der als inaktiver Posten – schließlich ist kein zweites Angebot an die LSE geplant – in der Bilanz nicht angemessen berwertet worden ist und die Performance des Börsenpapiers belastet hat.

Dass die Nasdaq mit dem Erlös aus dem Verkauf der LSE-Anteile einerseits Schulden decken und andererseits eigene Aktien zurückkaufen will, macht das Projekt noch interessanter für Anleger. Ensprechend schafft die Nasdaq-Aktie heute was den Indizes nicht gelingen will: ein dickes Plus.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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