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Alt 16-08-2007, 20:38   #728
Starlight
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Worst-Case-Szenarien an der Wall Street

„Dieser Markt geht runter wie Freibier“, meint Art Hogan. Doch ansonsten ist dem Börsenexperten vom Brokerhaus Jefferies & Co. gar nicht zum Scherzen zumute. „Wenn es einen Tag gibt, an dem die Wall Street das Worst-Case-Scenario einpreist, dann ist das wohl heute.“

Schwer zu sagen, wie das Worst-Case-Scenario aussehen wird. Brechen die Hedgefonds ein? Wird es weitere Pleiten bei Banken und Kreditagenturen geben? Müssen Trader an der Wall Street die alte „Dow 10 000“-Mütze aus dem Keller holen? Oder stürzt die amerikanische Konjunktur gar in eine Rezesseion.

Fakt ist, dass die Märkte im freien Fall und offenbar auf das Schlimmste eingestellt sind. Und während nach einem 30-prozentigen Anstieg des Dow Jones in den vergangenen 12 Monaten eine Korrektur um 10 Prozent zunächst eigentlich ganz vernünftig aussah, wird es jetzt doch manchem Beobachter mulmig. Die 10 Prozent sind – gerechnet am Allzeit-Hoch bei 14 000 Punkten vor genau einem Monat – punktgenau erreicht, doch die Kurseinbrüche scheinen kein Ende zu nehmen. Im Gegenteil: Aktien brechen immer schneller und tiefer ein.

Kein Wunder, bei der aktuellen Meldungslage. Jeden Tag gesteht irgendein Finanzriese massive Liquiditätsprobleme, nach American Home Mortgage steht nun Countrywide vor dem Konkurs. Derweil verschlechtert sich die Lage im Bausektor weiter. Die Baubeginne sind so schwach wie seit zehn Jahren nicht mehr, und damit dürfte sich die Lage im Hypothekensektor noch verschärfen. Gleichzeitig meldet das Produzierende Gewerbe unter den Erwartungen – und doch greift die Notenbank nicht ein.

Anleger hoffen seit Tagen auf eine Zinssenkung als Notmaßnahme. Diese Hoffnung war ohnehin weit hergeholt, nun bekommt man aber mehr oder weniger offizielle Absagen, unter anderem von William Poole, einem der stimmberechtigten Fed-Gouverneure. Auch Finanzminister Hank Paulson ist dagegen, dass sich die Fed oder sonstwer in Washington in die Märkte einmischt.

Seit dieser Woche sind die bisherigen Jahresgewinne aufgebraucht, und manche Experten glauben nicht daran, dass sie sich allzu bald wieder einstellen. Im Gegenteil: Joe Battipaglia vom Brokerhaus Stifel Nicolaus fürchtet, dass Anleger ihren Ausblick grob umstellen müssen. „Wer jetzt noch glaubt, dass wir das Jahr im Plus beenden, der irrt sich“, meint Battipaglia. „Ich kann mir das beim besten Willen nicht mehr zusammenreimen.“

Er wird wohl Recht behalten. Immerhin müssen in absehbarer Zeit 600 Milliarden Dollar, die im amerikanischen Subprime-Markt stecken, refinanziert werden. In diesen Wirren stecken nicht nur Banken und Kreditgeber, sondern auch die Kreditnehmer – die Verbraucher. Und die treten jetzt schon kürzer, was nicht nur die teuren Ketten spüren, sondern mittlerweils schon die Discounter. Wenn Wal-Mart einmal den Ausblick senkt, was gerade passiert ist, dann geht es dem Konsumenten schon ganz schlecht. Gar nicht auszudenken, wenn 7 Millionen Amerikaner ihre Häuser verlieren, wie Jim Cramer von TheStreet.com befürchtet. Horrorszenarien? – Vielleicht. Aber, wie sagt doch Art „Freibier“ Hogan: „Wenn es einen Tag gibt, an dem die Wall Street das Worst-Case-Scenario einpreist, dann ist das wohl heute.“

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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