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Alt 15-08-2007, 21:35   #727
Starlight
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Die Elmo-Krise

Neben der Hypotheken- und Kreditkrise hat sich in den letzten Tagen eine weitere Katastrophe in die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse gearbeitet: Die Elmo-Krise. Dass der Spielzeugriese Mattell neulich 1,5 Millionen Puppen – Elmo, Bibo, Fisher-Price – zurückrufen musste, war dabei nur der Anfang.

In dieser Woche gab es erneut Nachrichten von Mattell; nach Elmo müssen nun auch verschiedene Barbies, einige Autos aus der Pixar-Produktion „Cars“ und diverse Magnetspiele zurück. Bei letzteren besteht die Gefahr, dass Kinder Magnete verschlucken, was zu schweren, inneren Verletzungen führen kann, die übrigen Spielsachen sind mit bleihaltiger Farbe behandelt, die giftig ist.

Mattell steht damit vor einer gewaltigen Krise: Das Unternehmen wird mit dem größten Rückruf seiner Geschichte zig Millionen Dollar einbüßen, die wahrscheinlich nicht komplett durch die Zulieferer in China abgedeckt sind. Zudem fürchtet man aber vor allem um den guten Ruf. Der Spielwarensektor ist so labil wie kaum eine andere Branche. Das Vertrauen der Kunden ist für die Unternehmen das größte Kapitel, immerhin geht der Umsatz schnell flöten, wenn Eltern hinter jedem Spiel und jedem Kuscheltier eine Gefahr für ihre Kinder sehen.

Nun sind amerikanische Eltern mit Sicherheit etwas übervorsichtig, wenn es um den Schutz der Kleinen geht. Immerhin kann aus absolut jedem Gegenstand einmal ein Stück abbrechen, das bei Verschlucken gefährlich werden könnte – das war schon immer so. Mit bleihaltiger Farbe hingegen müssen sich die Eltern indes wirklich nicht abgeben, man hat durchaus Anspruch auf Spielsachen ohne krebserregende Inhaltsstoffe.

Und genau damit gerät nicht nur Mattell unter Beschuss, sondern – wie schon vor einer Woche – der Zulieferer China und das ganze Land, in dem man es offensichtlich mit den Sicherheitsstandards der Abnehmerländer nicht allzu ernst nimmt. Immerhin sind ja Elmo und Barbie nicht die ersten, die dem Kunden wieder weggenommen werden und zurück in den Laden müssen. Allein im letzten halben Jahr gab es eine ganze Reihe ähnlich gelagerter Aktionen.

So untersucht Toys’R’Us gerade, ob in China hergestellte Baby-Schnuller nicht auch einen zu hohen Bleigehalt aufweisen. Einige Untersuchungen weisen darauf hin, während das Unternehmen eigene Tests erst noch durchführt. Bei Wal-Mart hat man schneller reagiert: Schnuller des selben Importers sind bereits aus dem Angebot genommen worden.

Der Konsumartikle Colgate hatte jüngst Probleme mit gefälschter Zahncreme, die aus China kommend unter dem bekannten rot-weißen Logo auftauchte und giftige Stoffe enthielt. Zuvor hatten die Behörden Tierfutter und Meeresfrüchte moniert, davor Autoreifen für Kleinlaster – in allen Fällen ging es um Sicherheitsbedenken.

In China läuten jetzt die Alarmglocken. Die Qualitätskontrollen vor Ort müssen dringend verschärft werden. Sonst droht nämlich nicht nur eine weitere Verärgerung der amerikanischen Verbraucher, die Reifen und Puppen billig kaufen wollen, sondern in letzter Instanz der Zusammenbruch eines ganzen Wirtschaftszweiges: Die Manufakturen von Zulieferern stellen in vielen Provinzen fast die gesamte Wirtschaft. Wenn denen die Kunden aus Industrieländern mit höheren Auflagen weglaufen, stehen Unternehmen und später ganze Landstriche vor dem Aus.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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