Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 13-08-2007, 20:38   #725
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Tauben schießen

Zum Schluss umarmten sich die beiden Männer, während nebenan der Rotor von „Marine 1“ knatterte. George W. Bush und sein engster Berater, Karl Rove, sagten sich am Montagmorgen offiziell „good-bye“, flogen dann aber gemeinsam nach Crawford, Texas, auf die Ranch des Präsidenten – zurückkommen wird Bush alleine.

Karl Rove ist zurückgetreten. Der Architekt der Bush-Präsidentschaft, der einer der mächtigsten Männer Amerikas ist und einer der verhasstesten, verlässt die politische Bühne. Eigentlich hatte er gar nie auf der Bühne stehen wollen, denn die Rolle des Puppenspielers war seine liebste. Aus der Kulisse heraus steuerte er den bis dato politisch unerfahrenen George W. Bush zunächst auf den Stuhl des Gouverneurs von Texas, später ins Weiße Haus.

Dort erst wagte er sich ins Scheinwerferlicht – erst zögerlich, zumal er beim Publikum nie besonders gut ankam. Dass ihn der von Spitznamen bessesene Präsident Bush einmal „Turd Blossom“ nannte, machte die Sache nicht einfacher. „Turd Blossom“ nennt man in Texas eine Blume, die aus einem Kuhfladen heraus wächst. Roves alternativer Spitzname „Boy Genius“ war da schon besser, hatte aber auch etwas linkisches.

In den letzten Monaten sah sich Rove öfter im Rampenlicht stehen als ihm lieb sein konnte. In die Aufdeckung der CIA-Geheimagentin Valerie Plame war er direkt verwickelt, in die umstrittene Entlassung von mehreren Generalstaatsanwälten, die der Bush-Regierung nicht ins politische Muster passten, wohl auch. In beiden Fällen sollte Rove vor dem Kongress aussagen, in beiden Fällen berief er sich auf seine Immunität als Berater des Präsidenten. Dass der indes nicht mehr so fest im Sattel sitzt wie dereinst, schrieben undankbare Kritiker auch Rove in die Schuhe. So soll der Mann, der den Republikanern zwei ebenso wichtige wie legal umstrittene Wahlsiege organisiert hatte, nun die Schuld daran tragen, dass es bei den letzten Wahlen nicht mehr so gut lief und Bushs Umfrageergebnisse in historischen Tiefen sind.

Bei aller Kritik, Rove saß bisher fest in seinem Amt und seinem Stuhl sägt niemand. Daher ist auch völlig klar, dass er nicht etwa zum Rücktritt gezwungen worden ist, wie Rove nach anderslautenden Interpretationen der Medien auch bestätigte. Vielmehr hat Rove erkannt, dass er sich weiteren Ermittlungen von Untersuchungsausschüssen im Kongress nicht auf ewig hätte entziehen können. Ob er das außerhalb von Amt und Würden kann, sei dahingestellt, aber wenigstens sitzt dann nicht nach Cheneys Berater „Scooter“ Libby der nächste White-House-Insider vor Gericht.

Das hätte die Republikaner nämlich noch mehr Punkte gekostet, und insofern ist Roves Abschied aus dem Weißen Haus dessen letztes, großes Geschenk an den Chef. Rove bringt das „ultimative Opfer“, um eine vielbeschworene Floskel aus dem Irakkrieg zu bemühen. Auf keinen Fall hingegen sind es „familiäre Gründe“, deretwegen der wichtigste Präsidentenberater der letzten Jahrezehnte seinen Hut nimmt – diese erste Erklärung hatte ihm auch keiner abgenommen. Obwohl er sich sehr bemühte, in seinen letzten Familien die Familie herauszustellen. Er wolle mit Frau und Hund an den Strand fahren, beantwortete die Frage nach seinem nächsten Vorhaben. Und er wolle Tauben jagen – „go dove hunting“. Doch das hat er in den letzten Jahren in Washington schon getan, wo man als die anti-militärische Bewegung als „Doves“ bezeichnet, die zuletzt den Falken deutlich unterlegen war.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten