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Alt 26-07-2003, 10:28   #267
Stefano
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hola,

"Charakterlich sind wir eine Top-Mannschaft"
Kapitän Jens Keller ist zuversichtlich, dass die Eintracht in der Bundesliga besteht und enttäuscht über die Kritik von Thomas Berthold


Faulenzen, dösen, Beine hochlegen? Nichts für Jens Keller. Wenn sich die Mannschaftskameraden zwischen den beiden täglichen Trainingseinheiten am Wiesensee aufs Ohr legen, spielt der 32-Jährige zur Entspannung eine Runde Golf. Für das Mittagessen bleibt da keine Zeit, weshalb der Kapitän der Frankfurter Eintracht, überragender Spieler der abgelaufenen Saison, während des eingeschobenen Interviews am Müsliriegel knabbert. Keller, Charakterkopf und unumstrittener Chef des Aufsteigers, erklärte FR-Redaktionsmitglied Ingo Durstewitz, wie die Eintracht die Experten Lügen strafen will und warum ein Spieler wie Fredi Bobic nicht nach Frankfurt passt.

Frankfurter Rundschau: Herr Keller, auf die Eintracht gibt keiner einen Pfifferling. Experten und Laien sehen in ihr den Abstiegskandidaten Nummer eins. Wurmt Sie diese Einschätzung?

Jens Keller: Warum sollte es? Das ist doch wunderbar. Uns nimmt keiner ernst, und wir nehmen die Außenseiter-Rolle gerne an. Was die Leute sagen, ist mir so was von egal. Jeder kann erzählen und schreiben und Ranglisten aufstellen wie er will, das interessiert mich nicht. Als ich damals mit Wolfsburg in die Bundesliga aufgestiegen bin, da haben uns die Spezialisten prophezeit, dass wir nicht mal einen Punkt holen und den Rekord von Tasmania Berlin brechen. Und was ist passiert? Wir haben die Klasse gehalten - ganz locker. Ich weiß, dass wir das Potenzial haben, den Abstieg zu verhindern. Wir sind nicht schlechter als sieben, acht andere Mannschaften. Und wer hätte denn letztes Jahr gedacht, dass wir aufsteigen?

Hätte sich der Club nicht noch mit ein, zwei Hochkarätern verstärken müssen? Wer soll das denn sein?

Ein Verein wie die Eintracht kann sich doch gar keinen großen Star leisten. Und ein Spieler wie Fredi Bobic würde uns auch nicht gut tun, der würde das Gehaltsgefüge sprengen, und wenn er dann das Tor nicht trifft, dann können Sie gar nicht so schnell gucken, wie sich extreme Unruhe ausbreitet.

Für viele Ihrer Mannschaftskollegen ist die Beletage absolutes Neuland, da werden in München beim Saisonstart einige Knie heftig schlottern, oder?

Der eine oder andere wird sich umgucken, manch einer gar erschrecken, das stimmt. Die Bundesliga ist eine andere Nummer, eine andere Welt. Da erstarren einige Jungs sicherlich in Ehrfurcht, aber das legt sich schnell. Und warum sollten wir Angst haben? Wir sind in einer Liga mit Bayern, Dortmund, Schalke oder Hertha - das muss Glücksgefühle auslösen. Es ist doch schöner in der ersten Liga ums Überleben zu kämpfen als ewig in der zweiten rumzueiern.

Sie haben 140 Bundesligaspiele auf dem Buckel, kann die Mannschaft von ihrer Erfahrung profitieren?

Ich werde zunächst einmal versuchen, meine Leistung zu bringen. Ansonsten mache ich so weiter wie bisher: Ich werde die Jungs dirigieren und lautstark führen. Charakterlich sind wir ohnehin eine Top-Mannschaft. Es gibt keine Grüppchenbildung, wir haben keine Spinner oder Idioten drin. Ob es allerdings auf dem Feld passt, werden wir sehen.

Wird die Eintracht ihr Heil ausschließlich im Kampf suchen?

Wir sind zwar durch die Neuzugänge fußballerisch besser geworden, aber es braucht keiner zu erwarten, dass wir die Gegner spielerisch auseinander nehmen. Das wäre für Mannschaften wie Bayern oder Dortmund auch ein Armutszeugnis. Wir müssen fighten, fighten, fighten.

Unbändige Kampfeslust alleine soll den Klassenverbleib garantieren? Das ist doch ein bisschen dürftig.

Wir müssen 34 Spiele auf einem hohen Niveau spielen, in jedem Spiel 100 Prozent auf den Platz bringen - mehr geht nicht. In der Bundesliga wird viel schneller gespielt, die Fehler werden schneller bestraft. Da muss jeder bereit sein, einen Schritt mehr zu machen, sich zu quälen. Wir müssen auch mal über unsere Schmerzgrenze hinausgehen. Und wir dürfen uns keine Durststrecken erlauben.

Kann die Mannschaft den Rückenwind aus dem Finale furioso gegen Reutlingen mit in die neue Saison nehmen?

Ich hoffe es. Nichts ist unmöglich, das müssen wir verinnerlichen. Wenn man an etwas glaubt, wenn man den größeren Willen hat, dann kann man kleine Wunder vollbringen. Das ist auch mein persönliches Lebensmotto. Ich kann gegen einen Nationalspieler bestehen, wenn ich den größeren Ehrgeiz habe.

Die harte Vorbereitung neigt sich dem Ende entgegen. Eine Erlösung?

Ja, diese Zeit ist immer ätzend. Du gehst mit Schmerzen ins Bett und stehst mit Schmerzen auf. Aber das gehört dazu. Die beiden Trainingslager sind mental sehr anstrengend. Ich bin froh, wenn der Alltag beginnt, wenn ich wieder bei meiner Familie bin.

Der Alltag beginnt mit dem Spiel beim Deutschen Meister Bayern München.

Das ist doch prima. Wenn wir zu Hause gegen Freiburg oder Köln hätten loslegen müssen, wäre der Druck viel größer gewesen, weil wir gegen solche Mannschaften ja jetzt gewinnen müssen. So dürfen wir locker in die Saison reinriechen, die Hütte wollen wir aber nicht vollkriegen. In München zu spielen, ist etwas ganz Besonderes, und im Olympiastadion ist alles möglich. Die Bayern sind in den letzten Jahren immer schlecht aus den Startlöchern gekommen. Wir haben, denke ich, gute Chancen, was zu holen - und dann würden die Experten große Augen machen und staunen.

Im ersten Heimspiel geht es gegen Bayer Leverkusen auf der Baustelle Waldstadion. Ist der Umbau ein Nachteil?

Auf jeden Fall. Ein großer. Weil das Dach fehlt, ist die Akustik schlecht, es ist nicht so laut, es kommt keine richtige Stimmung auf. Unsere Fans können da nichts für, wir auch nicht. Aber es ist bitter, weil wir zu Hause unsere Punkte holen müssen.

Wie bewerten Sie als Kapitän die Schmierenkomödie in der Sommerpause?

Was da gelaufen ist, war schon hart. Wenn der Verein einen neuen Spieler holt (Torwart Markus Pröll, Anm. d. Red.) und einer aus dem Aufsichtsrat brüllt: "Der kann nix, den brauchen wir nicht", dann kann das doch nicht wahr sein, oder? Dabei hat die Eintracht ein Riesenpotenzial, so viel wie nur wenige andere Vereine in Deutschland. Der Club muss endlich mal zur Ruhe kommen, die hohen Herren dürfen sich nicht gegenseitig zerfleischen.

An dem Führungschaos wäre um ein Haar ihre Vertragsverlängerung gescheitert. Hand aufs Herz: Wollten sie die Eintracht wirklich verlassen?

Ich war kurz davor. Die Gestaltung des Vertrages hat sich hingezogen, alles hat ewig gedauert. Außerdem hätte ich mit Stuttgart in der Champions League spielen können. Da kommt man ins Grübeln. Ich bin ja auch keine 18 mehr. Aber meine Dankbarkeit gegenüber der Eintracht hat gesiegt, denn sie hat mir eine Chance gegeben, als ich arbeitslos war und eine harte Zeit hinter mir hatte. So etwas vergesse ich nicht. Und ich habe ein Verantwortung gegenüber den Jungs gespürt.

Apropos Stuttgart. Ihr früherer Mannschaftskamerad Thomas Berthold hat Sie persönlich attackiert und gesagt, dass die Bundesliga für Sie eine Nummer zu groß sei.

Das hat mich sehr enttäuscht. Dass er sich zu so was herab lässt, ist niveaulos und traurig. Ich glaube, da ist Frust dabei, weil die Eintracht ihn nicht als Manager wollte. Na ja, jetzt ist er in der Oberliga bei Fortuna Düsseldorf gelandet. Das sagt wohl alles.
q: E_HP
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Ciao Stefano

Ich wurde nicht gefragt...ob ich geboren werden wollte...
Ich werde nicht gefragt...ob ich sterben will...
also lasst mich LEBEN...wie ich es will...!
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