Argentiniens Finanzkrise hat sich nochmals verschärft: Das Land hat sich nun auch gegenüber der Weltbank für zahlungsunfähig erklärt. Damit scheint die Regierung in Buenos Aires auch den IWF unter Druck setzen zu wollen.
Argentinien steckt in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte. Seit 1998 schrumpft die Wirtschaft und steigt die Arbeitslosigkeit. Inzwischen leben fast 60 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Besonders drückend ist der Schuldenberg des Landes von mehr als 150 Milliarden Dollar. Vor rund zehn Monaten stellte Argentinien deshalb die Zahlungen auf Schulden bei privaten Gläubigern ein. Nur die Schulden gegenüber multilateralen Finanzorganisationen wie Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) wurden weiterhin bedient - bis gestern.
Harte Konsequenzen
Am Donnerstag (14.11.2002) waren 805 Millionen US-Dollar als Tilgungsrate für einen Kredit der Weltbank fällig. Überwiesen hat Argentinien aber weniger als ein Zehntel: Dabei handelt es sich um die fälligen Zinsen in Höhe von fast 80 Millionen US-Dollar. Den Kredit hätte Argentinien sogar schon am 15. Oktober zurückzahlen müssen. Jedoch gewährt die Weltbank in den ersten 30 Tagen nach dem Fälligkeitstermin eine Schonfrist.
Mit der jüngsten Entscheidung, das Geld nicht zu überweisen, wird Argentinien von sofort an keine neuen Weltbank-Kredite mehr bekommen. Auch die Auszahlung von Teilen bereits gewährter Kredite wird eingestellt, wenn das Geld nicht bis zum 15. Dezember bei der Weltbank in Washington eingeht. Zudem werden auf den Kredit wesentlich höhere Zinsen fällig. Und: Es ist ein negatives Signal an die internationale Finanzwelt.
Schwarzer Peter beim IWF?
Als Grund für die Einstellung des Schuldendienstes gab die argentinische Regierung an, dass die Devisenreserven des Landes zu gering seien, um den vollen Betrag in Höhe von 805 Millionen US-Dollar zu begleichen. Der Devisenbestand würde dann unter das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) empfohlene Niveau von neun Milliarden Dollar absinken. Der argentinische Präsident Eduardo Duhalde erklärte, dass die Schulden seines Landes bei der Weltbank erst beglichen würden, wenn ein Abkommen über neue Kredite mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Stande komme.
Nach Meinung von Wirtschaftsexperten scheint die argentinische Regierung mit der Entscheidung, die finanziellen Verpflichtungen nicht mehr zu bedienen, den IWF unter Druck setzen zu wollen. Seit über zehn Monaten verhandelt das lateinamerikanische Land mit dem IWF über ein Hilfspaket - bislang ohne Ergebnis. Von diesem Abkommen ist jedoch die gesamte öffentliche Umschuldung des Landes abhängig.
Riskantes Spiel
Die Regierung in Buenos Aires vertritt die Auffassung, dass der Währungsfonds Argentinien immer neue und nicht erfüllbare Bedingungen stelle. So lehnt der IWF viele der argentinischen Notgesetze ab: Dem Ziel der Stabilisierung des argentinischen Bankenwesens stehe es entgegen, wenn die Banken zurzeit in Argentinien keine Häuser versteigern dürfen, wenn die Hypothekeninhaber nicht mehr zahlen können. Ebenso werde die verordnete Sperre der Bankguthaben durchlöchert, wenn durch Gerichtsurteile einzelne Kläger die Erlaubnis erhielten, ihre Guthaben doch abzuheben.
Zwar gewährte der IWF Argentinien nochmals eine Atempause: Die stellvertretende IWF-Chefin Anne Krueger teilte in Washington mit, die am 22. November ablaufende Frist für die Rückzahlung eines 140 Millionen Dollar (138,6 Millionen Euro) schweren Kredits solle verlängert werden. Auch machten die Verhandlungen mit dem argentinischen Wirtschaftsminister Roberto Lavagna über ein Abkommen mit dem IWF Fortschritte. Trotzdem hält Anne Krueger einige Fragen weiterhin für ungeklärt. Ob also Argentinien durch die Einstellung des Schuldendienstes gegenüber der Weltbank nun schneller zu einem Abkommen mit dem IWF kommt, ist mehr als fraglich.
Ingo Mannteufel
QUELLE: Deutsche Welle