Deutsche Aktien sind extrem überbewertet
Der Dax befindet sich seit Wochen in einer Art Höhenrausch.
01.10.2009
Quelle:
http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/m.../50017537.html
Markttechnische Analysen zeigen jedoch, dass die Papiere aktuell teurer sind als sie es sein dürften. Anleger sollten über Gewinnmitnahmen nachdenken. von Reza Darius Montassér
Gestützt von einer Stabilisierung wichtiger Konjunkturdaten hat sich der Deutsche Aktienindex (Dax) in den vergangenen Wochen weiter nach oben gearbeitet und dem Stand vor der Lehman-Pleite (6234 Punkte) immer mehr angenähert. So hat der Dax seit dem Tief im März 2009 rund 55 Prozent zugelegt und damit ein deutliches Signal gesetzt, dass sich die deutsche Wirtschaft wieder auf einem nachhaltigen Wachstumspfad befindet. Es stellt sich die Frage, wie realistisch diese Annahme aus fundamentaler Sicht ist?
Auf Basis ökonometrischer Modelle ist es möglich, im Sinne einer
Fair-Value-Rechnung einen angemessenen Preis für Einzelaktien oder auch Indizes wie den Dax herzuleiten.
Das hier verwendete Modell schätzt in einem Top-down-Ansatz, also anhand volkswirtschaftlicher Daten und Indikatoren, die Ertragsentwicklung der 30 Dax-Unternehmen. Auf den Dax aggregiert liegen die berichteten Unternehmenserträge - bereinigt um negative Abschreibungseffekte der Banken - zurzeit bei etwa 240 Euro. Für das Jahr 2010 schätzt das ökonometrische Modell Gewinne von 320 Euro.
Vor dem Hintergrund einer durchschnittlichen historischen Bewertung des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) von 12 errechnet sich
ein fairer Dax von 3840 Punkten. Auf Basis des ökonometrischen Modells, welches den fairen Wert
über weitere Größen wie Zinsentwicklung, Gewinndynamik sowie Branchen- und Konjunkturtrends herleitet, liegt der faire Wert bei 4200 Punkten. Auf Basis dieser Rechnung weist der Index bei einem Stand von aktuell 5675 Punkten eine durchschnittliche Überbewertung von 41 Prozent auf. Das ist vergleichbar mit der Dotcom-Blase Anfang 2000 (siehe Grafik).
Ein ganz anderes Bild zeigt die markttechnische Analyse. Voll Kraft und Energie räumt der Dax seit dem März-Tief jeden erdenklichen Widerstand aus dem Weg. Der wichtige mittelfristige Widerstand bei 5100 Punkten konnte ihn im Frühsommer nur wenige Wochen aufhalten, sodass sich der Index mittlerweile deutlich oberhalb dieses wichtigen Widerstands bei 5700 Punkten bewegt. Aus der reinen Chartlehre, also dem singulären Blick auf den Kursverlauf, kann sich der Kursanstieg bis auf 6000/6100 Punkte fortsetzen. Dieses Maximalpotenzial ergibt sich aus der technischen Formationsstruktur der vergangenen Monate, aber aus Widerstandszonen, die im ersten Anlauf kaum zu überwinden sind.
Grund dafür ist vor allem die Lage der technischen Indikatoren, die nicht ganz so positiv zu beurteilen ist. Am augenscheinlichsten ist das am Handelsvolumen zu erkennen. Das hat sich seit dem Erreichen des Tiefs im März auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert. Wichtig dabei ist, dass es nicht einmal während der Ausbruchsphase aus der Bodenbildungsformation (im Bereich bei 5100 Punkten) im August ansprang. Aus markttechnischer Sicht ist das ein sehr negatives Zeichen, deutet es doch darauf hin, dass relativ wenige Marktteilnehmer den Ausbruch ausgelöst hatten. Dadurch besteht die Gefahr, dass eher zittrige Hände den jüngsten Anstieg begleiten und weniger mittel- bis langfristige Investoren, die auch bei Rückschlägen ruhig bleiben. Entsprechend gering ist die markttechnische Bedeutung des Ausbruchs aus der Bodenformation zu bewerten, und entsprechend hoch ist die Gefahr, dass das Ganze sich in den nächsten Wochen als Bullenfalle erweist.
Fazit: Die ökonometrische Fair-Value-Analyse zeigt einen extrem überbewerteten Aktienmarkt. Die Markttechnik könnte noch einige Zeit unterstützend wirken, doch mehren sich die Gefahrensignale. Brenzlig wird es, wenn die wichtige Unterstützungszone bei 5100/5200 Punkten nachhaltig gebrochen würde. Denn dann wäre die gesamte Aufwärtsstruktur seit dem März-Tief infrage zu stellen.
Mithin erscheint es angebracht, über Gewinnmitnahmen nachzudenken, um dann frühestens bei einem erfolgreichen Test der 5100er Zone den Wiedereinstieg zu wagen.
Langfristige Trendanalyse des Dax anhand eines technisch-ökonometrischen Modells: