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Alt 08-02-2009, 18:42   #315
Benjamin
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05. Februar 2009

Pleiterisiko - Kalifornien geht das Geld aus
Von Stefan Ruhkamp


Es ist keine drei Wochen her, da warnte Arnold Schwarzenegger, ehemaliger Schauspieler und derzeitiger Gouverneur von Kalifornien, vor dem finanziellen Notstand. Bald könne dem Bundesstaat das Geld ausgehen. Nun ist Kalifornien einen Schritt weiter in Richtung Desaster gegangen. Weil es der kalifornischen Regierung wieder nicht gelungen ist, eine Lösung für das hohe Defizit zu finden, hat die Ratingagentur Standard & Poor's die Bonitätsnote um einen Schritt auf „A“ reduziert. Damit hat der bevölkerungsreichste Bundesstaat trotz seiner wohlhabenden Bevölkerung nun das niedrigste Kreditrating in den Vereinigten Staaten. Selbst der Staat Louisiana hat nach dem Urteil von S&P solidere Finanzen als Kalifornien. Den Ausblick hat die Ratingagentur zwar auf „stabil“ gesetzt, auf den Kreditmärkten wird aber bereits über weitere Herabstufungen spekuliert

Wie ernst die Investoren das Risiko eines Zahlungsausfalls nehmen, zeigen die Preise, die für Absicherungsverträge gezahlt werden. Wer heute eine Forderung gegen den kalifornischen Staat für eine Laufzeit von fünf Jahren absichern will, zahlt mehr als 3 Prozent der versicherten Summe im Jahr. Vor einigen Wochen lag diese Prämie sogar schon einmal bei rund 5 Prozent, ehe sich die Kreditmärkte insgesamt etwas beruhigten. Die Höhe der Absicherungskosten für kalifornische Schulden entspricht in etwa dem, was man für die Absicherung von Daimler-Forderungen aufbringen muss. Kaliforniens finanzielle Stabilität wird also nicht besser eingeschätzt als die der europäischen Autoindustrie. Und in anderen amerikanischen Bundesstaaten sieht es nicht viel besser aus. Die Absicherung von Forderungegen gegen den Staat New York kostet jährlich rund 2,5 Prozent der versicherten Summe.

„Wir brauchen Standard & Poor's nicht, um das zu erfahren“

S&P begründet die jüngste Herabstufung der kalifornischen Bonitätsnote mit dem fehlgeschlagenen Versuch, über Budgetkürzungen oder zusätzliche Einnahmen das Defizit zu verringern. Bis zum Jahr 2010 fehlen Schwarzenegger rund 42 Milliarden Dollar, um Polizisten, Lehrer und Krankenschwestern zu bezahlen. Ein Nachtragshaushalt könne Entlastung bewirken, heißt es bei S&P, aber wegen des besonderen Gesetzgebungsverfahrens in Kalifornien erfordere dieser Schritt eine Mehrheit von zwei Dritteln. Die verfügbaren liquiden Mittel schwänden dahin. Mit anderen Worten: Kalifornien geht das Geld aus. Schon sollen 3,7 Milliarden Dollar an Löhnen und Einkommensteuerrückzahlungen aufgeschoben werden.

Auf dem Kapitalmarkt müsste Kalifornien derzeit so hohe Zinsen zahlen, dass Finanzminister Bill Lockyer die Emission neuer Anleihen eingestellt hat. Die letzte soll laut Nachrichtenagentur Bloomberg im Juni auf den Markt gekommen sein. Die kalifornische Regierung zeigt sich verärgert über die Herabstufung der Bonitätsnote. Ein Sprecher sagte: „Wir wissen, dass Kalifornien strukturelle Schwierigkeiten mit dem Haushalt hat. Wir brauchen Standard & Poor's nicht, um das zu erfahren.“

Ähnliche Schwierigkeiten in Europa?

Für Europa hat die Schwäche der amerikanischen Bundesstaaten ganz unmittelbare Auswirkungen. Die Schieflage mancher Banken resultiert aus Fehlspekulationen auf dem amerikanischen Markt für Schulden der Städte, städtischer Betriebe und der Bundesstaaten. Besonders verlustreich war das Geschäft zum Beispiel für die Depfa, eine Tochtergesellschaft der Hypo Real Estate. Diese Verluste haben zu der Schieflage beigetragen, die vor allem aus der riskanten Finanzierung der Bank resultiert.

Die Krise Kaliforniens ist für Europa aber auch deshalb von Bedeutung, weil hier ähnliche Schwierigkeiten bevorstehen könnten. Euro-Länder wie Spanien, Italien, Irland und vor allem Griechenland können ihre Schuldtitel nur noch unter die Anleger bringen, wenn sie enorm hohe Risikoprämien zahlen. Die Zinsaufschläge sind zwar noch nicht so hoch wie in Amerika, aber sie bewegen sich in die gleiche Richtung.
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