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Alt 13-11-2008, 18:09   #907
Starlight
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Das 700-Milliarden-Durcheinander
Donnerstag, 13. November 2008

Mit einem 700 Milliarden Dollar schweren Hilfspaket wollte die US-Regierung vor sechs Wochen die angeschlagene Bankenbranche retten. Einige Finanzhäuser haben sich mittlerweile aus dem Steuertopf reichlich bedient, und das passt vielen Amerikanern gar nicht, zumal die versprochene Übersicht nicht gegeben ist.

Eigentlich sollte die größte staatliche Hilfe, die der Wall Street jemals gegeben wurde, von Washington aus streng überwacht werden… doch die Realität sieht ganz anders aus. Zunächst hat das Finanzministerium unter Minister Henry Paulson gerade den Ansatz des gesamten Paketes geändert und will nicht mehr, wie ursprünglich geplant, kaputte Anlagen übernehmen. Vielmehr schießt man den Unternehmen einfach Geld zu.

Zudem hat man neben den ursprünglich angepeilten Großbanken immer mehr Unternehmen in den Reihen der Hilfesuchenden akzeptiert, darunter die Kreditkarten-Konzerne, den Versicherer AIG, Investmenthäuser wie Goldman Sachs und Morgen Stanley – Gerüchten zufolge könnten auch General Electric und der kaputte Autobauer General Motors Zugriff auf die Gelder haben, in beiden Fällen über ihre Finanztöchter.

Die Nachfrage nach Geld aus dem Hilfs-Fond ist gewaltig. Zahlreiche Unternehmen haben den nur zwei Seiten langen Antrag ausgefüllt; mittlerweile sind rund 290 Milliarden Dollar verbraucht. Doch in einem anderen Punkt ist man in Washinton noch keinen Schritt weitergekommen: Die versprochenen, und im Gesetz um den Hilfs-Fond verankerten Aufsichtsbehörden bestehen noch nicht.

„Das ist ein riesiges Durcheinander“, urteilt Eric M. Thorson, der Generalinspekteur im Finanzministerium. „Ich laube nicht, dass zur Zeit irgendjemand weiß, wie wir das Ganze unter Kontrolle und Aufsicht bekommen können.“ Die Frist für einen ersten Aufsichtsbericht über die Verteilung der Gelder ist bereits abgelaufen, ohne dass ein solcher begonnen worden ist; Schlüsselstellen in den Bereichen Aufsicht und Verwaltung sind noch nicht besetzt; die Ernennung eines Spezialaufsehers muss vom Kongress bestätigt werden, was sich über Monate hinziehen könnte.

Unterdessen reagieren Amerikaner gereizt auf das Wort „Bailout“, was direkt mit dem Benehmen der Banken an der Wall Street zu tun hat. Die scheinen sich nämlich nicht an die Auflage zu halten, nach der Banken, die Gelder aus dem Hilfs-Fond beziehen, keine Boni an das Management zahlen dürfen. Offiziell heißt es: Die Hilfsgelder werden nicht direkt zur Zahlung von Boni verwendet – dass sie aber intern nur umgebucht werden, leuchtet auch dem unbedarften Beobachter (und Steuerzahler) ein.

Überdenken will man das an der Wall Street indes nicht: Goldman Sachs und Morgan Stanley haben bereits mehrere Milliarden für Management-Boni zurückgelegt. Und allgemein dürften die Sonderzahlungen im Finanzsektor zwar um 40 bis 70 Prozent zurückgehen, doch fallen sie immer noch großzügig aus und liegen bei manchen Managern beim Vierfachen des eigentlichen Gehalts. „Die Banken haben keine andere Wahl“, erklärt John Challenger von der Job-Beratung Challenger Gray & Christmas die Lage zu rechtfertigen. „Wenn einige Banken diese Boni nicht mehr zahlen, verlieren sie einen Wettbewerbsvorteil.“ Das Risiko: Top-Leute könnten zur Konkurrenz wechseln.

Daher wird die Forderung lauter, Boni in diesem Jahr gesetzlich zu verbieten. Verständlich ist der Aufruhr, denn dem Steuerzahler, der letztlich für das Hilfspaket gerade stehen muss, ist egal, ob die Manager weniger verdienen als im Vorjahr – sie verdienen immer noch ein Vielfaches dessen was der durchschnittliche Arbeitnehmer einstreicht, der sein Unternehmen wohlgemerkt nicht in eine Milliardenkrise gesteuert hat.

Das Gezerre um das 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket der Regierung wird sich noch lange hinziehen, und Anleger schauen genau hin. Sie haben bereits erkannt, dass die Hilfe nicht so ankommt wie sie geplant war, weshalb der Markt auf die gigantische Finanzspritze auch nicht reagiert hat.
© Inside Wall Street
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