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Alt 04-09-2008, 18:57   #880
Starlight
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Das Rätselraten um Öl und Aktien
Donnerstag, 4. September 2008

Der Ölpreis macht den Markt. Fällt der Ölpreis, klettern sofort die Aktien – oder auch nicht. Mittlerweile ist das schwarze Gold so tief gefallen, das man sich bereits Sorgen um eine zu niedrige Nachfrage macht, die auf eine ungeahnte konjunkturelle Abühlung schließen lassen könnte. Anleger wissen nicht weiter.

In bezug auf Öl und den Markt wissen Anleger zur Zeit gar nichts. Sie wissen nicht, warum der Rohstoff im letzten Jahr so steil im Preis gestiegen ist. War es die hohe Nachfrage bei einem knappen Angebot? Waren es Manipulationen der Opec? Oder gar der Spekulanten? Die Gier der Öl-Konzerne?

Bleibt diese Frage unbeantwortet, wird es mit der nächsten noch viel schwerer: Warum lässt der Ölpreis plötzlich zu drastisch nach? Weil China durch seine Vorratspolitik vor den Olympischen Spielen die Nachfrage künstlich aufgebläht hat? Oder weil die Wirtschaft schwächelt und weniger Öl nachgefragt wird? Oder weil die Öl-Konzerne die Preise künstlich niedrig halten, um den Republikanern vor der Wahl einen Gefallen zu tun? Oder platzt hier tatsächlich nur eine Preisblase?

Letztere Frage ist wahrscheinlich am einfachsten aus dem Weg zu räumen – nicht mit einer klaren Antwort, sondern mit einem Vergleich. Der Ölpreis notiert zur Zeit knapp unter 110 Dollar und damit satte 25 Prozent unter dem Allzeithoch, das man vor gerade einmal sechs Wochen bilanziert hat. Aber: Der Ölpreis liegt damit noch immer 50 Prozent über dem Vorjahresniveau; Benzin ist 30 Prozent teurer als vor zwölf Monaten. Die aktuellen Kurse, die zur Zeit niedrig erscheinen, hat man vor gerade einmal einem halben Jahr als exorbitant hoch angesehen.

Also: So weit ist der Ölpreis gar nicht gefallen. Fragt sich also, wie tief es noch gehen wird. Unter 100 Dollar, sagen einige Analysten, und wenn die Opec in der nächsten Woche an ihren aktuellen Förderquoten festhält, dann würde sie damit signalisieren, mit 100 Dollar pro Fass zufrieden zu sein.

Nicht alle Anleger wären mit „unter 100 Dollar“ zufrieden, meint allerdings Oscar Gonzales von John Hancock Financials. Der auf Rohstoffe spezialisierte Volkswirt glaubt, dass die die Nachfrage nach Öl erst unter 80 Dollar wieder normalisieren und Wachstum erlauben würde.

Darüber kann man bei Goldman Sachs wohl nur schmunzeln. Die Analysten halten weiterhin an ihrer Prognose fest, dass der Ölpreis bis Jahresende wieder bei 149 Dollar stehe. Hier fragt sich nicht nur, warum man als Kursziel nicht gleich die runden 150 Dollar angepeilt hat. Vielmehr ist auch unklar, worauf dieser Anstieg beruhen soll. Ist es doch die Manipulation vor der Wahl, die im November hinfällig würde? Oder ist es die Nachfrage aus China, wo viele Fabriken während Olympia geschlossen waren, was die Nachfrage gesenkt haben dürfte?

Fragen über Fragen… und das hat die Wall Street nicht gerne. Anleger suchen sich viel lieber einfache Fakten aus und leiten daraus eine Marktreaktion her. Doch der hoch volatile Handel an den Rohstoffmärkten, und ganz besonders am Ölmarkt, macht eine einfache Interpretation unmöglich. Anlegern sei zur Zeit geraten, nicht für jede Preisschwankung Ursachen und Gründe zu suchen und auch nicht in jeder Auf- und Ab-Bewegung ein Zeichen für den Aktienmarkt zu suchen – manchmal ist der Handel einfach orientierungslos, wartet auf fundamentale Daten und kann sich erst danach für eine Richtung entscheiden.
© Inside Wall Street
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