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Alt 02-07-2008, 19:33   #868
Starlight
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Die Wall Street setzt auf Obama
Mittwoch, 2. Juli 2008

Amerika mag noch ein halbes Jahr lang gespannt warten, doch für die Wall Street sind die Präsidentschaftswahlen gelaufen. Im New Yorker Finanzviertel hat man John McCain abgeschrieben; weitere acht Jahre Bush will man sich auch hier nicht vorstellen – obwohl die Republikaner einmal den Ruf hatten, besser für die Wirtschaft zu sein.

Doch nach acht Jahren Bush, in denen die Regierung 650 Milliarden Dollar in den Irakkrieg gesteckt hat, in denen Banken und Broker ohne jede Regulierung eine Kreditkrise von historischen Ausmaßen schafften, in denen der Dollar von einem Rekord-Tief auf das andere stürzte, Handelsbilanzdefizite unaufholbar wuchsen und die Fed zu einem rat- und machtlosen Beraterhaufen verkommen ist, hat man genug.

Finanzlegende Bill Gross, der bei Pacific Investment Management den größten Bond-Fond der Welt verwaltet und überzeugter Republikaner ist, hat jetzt einen offenen Brief an Barack Obama geschrieben. Als hätte der Senator aus Illinois die Wahlen schon erfolgreich hinter sich, schreibt Gross: „Sie haben ein großes Chaos geerbt. (…) Was auch immer Sie tun, um damit aufzuräumen, wird sehr teuer sein.“

Höhere Steuern für Hedgefond-Manager und Öl-Firmen alleine brächten wohl nicht genügend ein, um die USA aus ihrem Schlamassel zu ziehen, glaubt Gross. Die amerikanische Konjunktur bräuchte ein Stimulus-Paket von bis zu 500 Billionen Dollar, die von Obama geplanten Steuersenkungen für die Unter- und Mittelschicht eingerechnet. Obama werde als nächster Präsident nicht umhin kommen, erstmals in der Geschichte der USA ein Haushaltsdefizit von 1 Billion Dollar zu sehen – die Schuld gibt er wohlgemerkt nicht ihm, sondern der Politik seiner Vorgänger.

Gross ist nicht der einzige Finanz-Promi, der mit der Politik der Republikaner unzufrieden ist. Kein geringerer als Warren Buffett prangert Bush’s Steuerkonzept seit Jahren an und hat letztes Jahr sogar einmal nachgerechnet: Bei einer Erhebung in seinem eigenen Büro kam der Multimilliardär auf den niedrigsten Steuersatz; seine Mitarbeiter, von der Putzfrau bis zum Büroleiter, zahlten prozentual mehr an Uncle Sam.

Barack Obama hat bereits angekündigt, als Präsident die Steuern für die Oberschicht und die Unternehmen anheben zu wollen. Ein Nachteil im Wahlkampf ist das nicht, denn die Wall Street hat längst erkannt, dass die jüngsten Steuersenkungen – zumal in Kriegszeiten! – die USA an den Rand des Ruin getrieben haben. „Die Wall Street will jemanden, der die Staatsausgaben eingrenzt“, meint Wall-Street-Guru Jim Cramer. „Man will einen Clinton wie in den Neunzigern, als die Konjunktur im Rekordtempo wuchs.“

Die Wall Street will nicht nur; sie zahlt auch. Die Banken und Broker im New Yorker Finanzviertel haben bereits 9,5 Millionen Dollar in die Wahlkampfkasse von Barack Obama investiert – fast doppelt so viel wie auf das Konto von John McCain. Offizielle Unterlagen zeigen, dass vier der fünf größten Obama-Spender Angestellte von Goldman Sachs, UBS, JP Morgan und Citigroup sind.
Über den Ausgang der Wahl dürfte das einiges sagen. Denn die Wall Street weiß sich – meist – gut zu positionieren. Man spendet nicht zwingend an den Kandidaten, den man sich später im Weißen Haus wünscht, sondern an den, den man dort glaubt. Immerhin kann sich finanzielles Engagement nur dann direkt auszahlen.
© Inside Wall Street
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