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Alt 27-06-2008, 20:08   #864
Starlight
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Der Verbraucher sieht schwarz
Donnerstag, 26. Juni 2008

Eine der großen Stärken der Amerikaner ist ihr unerschütterlicher Optimismus und der Glaube an ein siegreiches Ende. Allerdings ist das auch eine ihrer größten Schwächen. In einem konjunkturell schwachen Umfeld rechnen Analysten noch immer mit einem Aufschwung im zweiten Halbjahr – doch der Verbraucher sieht das anders.

Das Verbrauchervertrauen notiert zur Zeit, wie bereits vor ein paar Tagen bekannt wurde, auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Doch das ist nicht alles, schließlich ist der Index nur eine abstrakte Zahl in einem Universum von Daten und Grafiken, aus denen Experten und Amateure jeden Tag den Handel an der Wall Street destillieren.

Viel schlimmer als die schwache Zahl in einem Stimmungsindex ist die Überzeugung, mit der die Verbraucher ihren Unmut begründen. Sie leiden direkt unter den hohen Preisen für Energie und Lebensmittel – unabängig davon, dass die Kerninflation im Rahmen des Erträglichen liegt. Sie haben Angst vor weiteren Entlassungen in einem ohnehin schwachen Arbeitsmarkt – unabhängig davon, dass Analysten die meisten Branchen schon wieder in einem Aufwärtstrend wähnen.

Ganze 80 Prozent der Amerikaner rechnen zur Zeit damit, dass die US-Konjunktur in den nächsten Monaten weitere Stellen streichen wird; nur 20 Prozent glauben an eine Verbesserung der Situation. Ganze 75 Prozent glauben, dass es für die Wirtschaft weiter abwärts geht; nur 25 Prozent glauben den Analysten, die einen Aufschwung schon für die nächsten Wochen und Monate fest eingeplant haben.

Die Verbraucher dürften Recht behalten, nicht zuletzt weil sie mit ihren täglichen Ausgaben hinter zwei Dritteln der amerikanischen Konjunktur stehen. Ihr Pessimismus wird schon deshalb zu einer Prophezeihung, die sich selbst erfüllt. Wer Angst vor einem Rezession hat, der spart, anstatt in der Mall großzüig shoppen zu gehen… und genau das drückt die Wirtschaft noch tiefer.

Doch kann eine langfristige Gesundung der amerikanischen Konjunktur nur über einen solchen, reinigenden Auswasch führen. Die Amerikaner müssen ihre Schulden unter Kontrolle bekommen und lernen, innerhalb ihrer Verhältnisse zu leben.

Das heißt: Verzicht üben. Laut aktueller Umfragen ist die Menge der geplanten Investitionen beim Verbraucher zur Zeit erstmals seit Jahren rückläufig. Erstmals seit Jahren haben die Amerikaner in Umfragen angedeutet, weniger Urlaub machen zu wollen als im Vorjahr. Und egal ob Autos oder Küchengeräte, Unterhaltungselektronik oder Waschmaschinen, teure Ausgaben werden zur Zeit verschoben. Einzige Ausnahme: Der Umsatz mit Klimaanlagen dürfte in diesem Sommer erneut steigen. Ob das an der aktuellen Hitzewelle liegt oder an der allgemeinen Angst vor einer langfristigen Klimaerwärmung, ist unklar.

Einige Analysten schreiben nun ihre Prognosen um. Denn sie wissen, dass der Verbraucher am Ende seine wirtschaftliche Lage besser einschätzen kann als jeder Akademiker.
© Inside Wall Street
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