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Alt 06-05-2008, 20:12   #837
Starlight
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Der Ölpreis steigt, der Ami fährt weiter
Dienstag, 6. Mai 2008

Während es auf dem Parkett der New York Stock Exchange immer ruhiger zugeht, handelt die Nymex immer hektischer. In den Trading Pits der weltgrößten Rohstoffbörse ist die Aufregung groß, denn man befindet sich inmitten der steilsten Rallye aller Zeiten. Vor allem der Ölpreis stellt fast täglich neue Rekorde auf.

Das Jahr 2008 hatte bereits mit einer Sensation begonnen: Nicht einmal drei Stunden nach Handelsbeginn, die Händler hatten ihren Silvesterkater noch nicht ausgeschlafen, sprang der Ölpreis erstmals über 100 Dollar. Beobachter waren geschockt. Mit Öl notierten immerhin auch Benzin und Heizöl auf Höchstständen, und die Folgen waren klar: Der Inflationsdruck auf Unternehmen und Verbraucher würde massiv zunehmen.

Das ist auch geschehen, und vier Monate nach Neujahr ist die Sitution noch viel schlimmer geworden. Das schwarze Gold kletterte erst über 110 und schließlich über 120 Dollar, fast täglich fallen Rekorde.

Die Gründe für die anhaltende Rallye sind seit Jahren die selben: Der steigenden Nachfrage aus China und Indien steht ein unverändertes Angebot gegenüber. Die Öl-Unternehmen fördern aktuell mit einer Kapazität von rund 97 Prozent, wie Rohstoff-Analyst James Williams von WTRG Economics schätzt. Nur etwa 2 Millionen Fass mehr könnte man täglich aus dem Boden holen; nicht genug, die ständig steigende internationale Öl-Gier zu befriedigen.

Zumal sich auf der Supply-Seite immer mehr Probleme abzeichnen. Der Krieg im Irak und die Krise im Iran machen die fortigen Vorräte unsicher, regionale Konflikte in Nigeria und Venezuela, Angriffe aus Pipelines, Streiks an den Plattformen… die weltweite Fördermenge ist alles andere als zuverlässig und schwankungsfrei. Dazu kommen vor allem für amerikanische Kunden die eingeschränkten Kapazitäten der US-Raffinerien, die selbst bei ausreichenden Öl-Lieferungen nur unzureichend Kraftstoff herstellen können.

Der schwache Dollar, der seit Monaten von einem auf das nächste Rekord-Tief fällt, trägt zur Rohstoff-Rallye seinen eigenen Teil bei: Immer mehr Anleger hedgen ihre Währungsrisiken mit Öl und treiben als Spekulanten die Preise an.

Wohin die Reise geht, ist zur Zeit jedem klar: nach oben – und zwar immer steiler und immer weiter. Die Analysten von Goldman Sachs halten eine Preisspanne zwischen 150 und 200 Dollar für ein Fass Rohöl in den nächsten sechs Monaten bis zwei Jahren für sehr wahrscheinlich, und entsprechend dürfen sich Autofahrer, aber auch Fluggesellschaften, Transportunternehmen, Plastik- und Cheiehersteller und nicht zuletzt der Verbraucher schon einmal warm anziehen.

Der einzige Ausweg aus der dramatischen und für die Konjunktur äußerst gefährlichen Preisspirale liegt in einer Senkung der Öl-Nachfrage. Doch nicht nur für die Wachstumsländer China und Indien, sondern auch für die USA in ihrer Sucht nach Konsum und Bequemlichkeit ist ein sparsamer Umgang mit Sprit und Öl noch immer kein Thema: Tankende Autofahrer klagen zwar in jede Fernsehkamera, wie sehr sie unter den hohen Spritpreisen leiden – weniger gefahren wird aber nicht. Im Stadtverkehr von New York City etwa, in den Staus an Tunnel und Brücken, reiht sich noch immer SUV an SUV, und Freizeit-Rambos genießen ihre Ausflüge im Hummer, gerne auch alleine.

Wie lange der Autofahrer mitmacht und wie hoch der Ölpreis klettern muss, bis der Verbraucher wirklich kollabiert, bleibt abzuwarten. Die Analysten, die einst bei 30 und bei 50 Dollar und schließlich auch bei 100 Dollar pro Fass eine internationale Katastrophe prophezeiht haben, halten sich mit ähnlichen Prognosen mittlerweile jedenfalls zurück.
© Inside Wall Street
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