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Alt 17-04-2008, 17:40   #832
Starlight
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Zwischen Religion und Rendite
Donnerstag, 17. April 2008

Amerika ist im Papst-Fieber. Seit Benedikt XVI am Dienstagabend auf der Andres Air Force Base bei Washington, D.C. gelandet ist, grüßt er von den Titelseiten aller Zeitungen. Katholiken und einfache Fans reißen sich um Karten für zwei Stadion-Messen, und sogar an der Wall Street ist der Pontifex ein Thema.

An der NYSE wird Benedikt XVI wohlgemerkt nicht erwartet. Zwar würde man ihn sicherlich gerne zu Handelsbeginn die Glocke läuten lassen, doch dürfte sich der Papst auf solche Spielchen nicht einlassen. Die Katholische Kirche mag zwar (finanziell) ein modern geführter Konzern sein, doch öffentlich hält man sich von Wucher und Zocken besser fern.

Zweimal jedoch wird der Papst auf seinem USA-Trip der wichtigsten Börse der Welt ganz nah sein: Am Freitagmorgen wird er nach seiner Ankunft auf dem Flughafen John F. Kennedy per Hubschrauber an den Wall-Street-Heliport gebracht; am Sonntag fliegt er von selbigem via JFK wieder zurück nach Rom. Aus zahlreichen Bank-Towern ist der Landeplatz am East River gut zu sehen, viele Banker werden dem Papst wohl vom Fenster aus zuwinken.

Danach werden sie sich wieder ihren Investments widmen, und das kann sehr wohl im Sinne der Kirche sein. Im Umfeld der Wall Street handeln einige Fonds mit religiösem Hinergrund – und zwar sehr erfolgreich. In etwa 50 religiösen Fonds liegen zur Zeit 17 Milliarden Dollar, vor zehn Jahren waren es gerade einmal 500 Millionen Dollar in einem Nischenmarkt. Der investiert in moralisch unbedenkliche Aktien. Das schließt einige Top-Performer aus, kann sich aber lohnen: Im Durchschnitt haben die Reli-Fonds mit einer jährlichen Rendite von 10,5 Prozent in den letzten fünf Jahren besser abgeschnitten als der breite Markt.

Zu den erfolgreichsten Fonds gehört der Amana Income Fund, der von Saturna Capital gemanagt wird und sich an islamische Regeln hält. Die Durchschnittsrendite von 18,9 Prozent kann sich sehen lassen. In jüngster Vergangenheit steht man sogar etwas besser da, weil man sich etwa aus dem kriselnden Finanzsektor fernhält. Die Sharia verbietet Wucher, weshalb Banken und Brokerhäuser im Portfolio von Amana nicht vorkommen. Auch Unternehmen, die mit Alkohol, Tabak und Schweinefleisch handeln, sind für Fond-Manager Nicholas Kaiser uninteressant – obwohl der selbst kein Moslem ist.

Der katholische Ave-Maria-Fond, der von Schwartz Investment Counsel geführt und vom Erzbischof von Detroit beraten wird, blickt auf eine Durchschnittsrendite von 12,6 Prozent. Investiert wird in alles was Geld macht, außer in 400 indizierte Unternehmen. Zu denen gehören natürlich alle Firmen, die mit Pornographie handeln, aber auch Unternehmen, die unverheirateten Partnern den Eintritt in firmeneigene Kranken- und Sozialversicherungen ermöglichen.

Letzteres ruft möglicherweise Kritiker auf den Planen, denn Nächstenliebe zählt hier offensichtlich nicht. Ebensowenig beim Timothy Plan, der protestantisch geführt wird und bei Westwood Management liegt. Der Fond verzichtet nicht nur auf Unternehmen, die mit Alkohol, Tabak, Glückspiel und Pornographie zu tun haben, sondern nennt in einer „Hall of Shame“ auch Walt Disney, Coca-Cola und den Buchhändler Borders. Einziger Grund: Die Konzerne erkennen die Rechte von Schwulen und Lesben an und erlauben Mitarbeitern einen solchen Lebenswandel offen.

Interessant ist hingegen, wer sich nicht in der „Hall of Shame“ befindet: Mit Waffenherstellern und Rüstungsriesen haben die wenigsten der religiös geführten Fonds ein Problem. Große Ausnahme: Der MMA Praxis Value Fond, der nach den Regeln der Mennoniten geführt wird und Pazifismus für einen moralischen Eckpfeiler hält.

Eine Aktie taucht übrigens in fast allen Fonds auf: Apple. Das belegt zumindest eines. Ob Katholik oder Moslem, Jude oder Mennonit, den iPod finden alle toll.
© Inside Wall Street
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