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Alt 02-04-2008, 19:57   #824
Starlight
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Zu wenig Essen an der Tafel
Mittwoch, 2. April 2008

Die Arbeitslosigkeit steigt, die Einkommen der Amerikaner stagnieren, hohe Inflation bei Energie und Lebensmitteln frisst einen immer größeren Teil der Löhne und Gehälter auf… all diese Trends haben jetzt zu einem neuen Rekord geführt: 28 Millionen Amerikaner beziehen zur Zeit Lebensmittelmarken – so viele wie nie zuvor.

Dabei sind die Bedingungen, zu denen Amerikaner staatliche Unterstützung über Lebensmittelmarken bekommen, so eng gefasst wie eh und je. Nur wer höchstens 30 Prozent über der Armutsgrenze liegt – das heißt, wer etwa mit einem Jahreseinkommen von 27 500 Dollar eine vierköpfige Familie unterhält – bekommt Marken. Doch das sind zur Zeit mehr als 9 Prozent der Amerikaner.

Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der Bedürftigen in den USA im vergangenen Jahr so steil zugelegt hat wie nie zuvor. Allein im Bundesstaat Rhode Island ist die Zahl der Empfänger von Lebensmittelmarken seit 2006 um 18 Prozent gestiegen, auch in den Bundesstaaten Arizona, Florida, Nevada und North Dakota werden Zuwächse im zweistelligen Prozentbereich gemessen.

Seit Jahren hoch ist hingegen die Zahl der Betroffenen in den Industriestaaten im Mittleren Westen. In Michigan, wo der Untergang der Automobil-Industrie hunderttausende von Arbeitsplätzen vernichtet hat, bezieht jeder achte Einwohner Lebensmittelmarken. Ähnlich sieht es in den Nachbarstaaten Ohio und Illinois aus.

„Wir sind hier an ein hohes Maß an Armut gewöhnt“, berichtet Maureen Sorbet vom Sozialministerium des Staates Michigan. So schlimm wie zur Zeit sei es aber noch nie gewesen. US-weit, so kommentieren Experten, habe man sogar die bisherigen Rekordstände von 2005 geschlagen. Damals hatte der Hurrikan Katrina vor allem im Süden für einen dramatischen Anstieg der Armut gesorgt und die Zahl der Bedürftigen in die Höhe schnellen lassen.

Einen Teil der jüngsten Zuwächse schreiben Experten wohlgemerkt nicht der steigenden Armut in den USA zu, sondern einer Umstellung des Systems in weiten Teilen des Landes. Seit in vielen Staaten nicht mehr klassische Marken aus Papier, sondern spezielle Scheckkarten ausgegeben werden, hätte die Akzeptanz der staatlichen Hilfe dramatisch zugenommen. Mit den Marken sei ein Stigma verschwunden, dass viele an der Supermarkt-Kasse nicht offenbaren wollten.

Doch die Modernisierung des Systems erklärt nicht die rasant steigenden Zahlen der sozial Bedürftigen. Michael Hayes, Sprecher einer großen Bedürftigen-Organisation in New York, schiebt die jüngste Entwicklung ganz klar auf die wirtschaftlichen Umstände. Die allein hätten dazu geführt, dass in New York zuletzt 1,86 Millionen Bürger – also etwa jeder Zehnte – Marken erhalten hätte.

Unterdessen spitzt sich die Lage auch unterhalb der Marken-Schicht zu. Die ärmsten Amerikaner, die in Tafel-Läden Zugang zu verbilligter oder kostenloser Nahrung haben, finden dort nicht mehr ausreichend Ware. Die Spenden seien dramatisch eingebrochen, berichtet Lynn Brantley von der „Food Bank“ in Washington. Hilfe kommt von großen Einzelhandelsketten wie Wal-Mart, die essbare aber unverkäufliche Ware liefern. Keine stolze Bilanz für die letzte verbliebene Weltmacht.
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