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Alt 17-03-2008, 05:40   #817
Starlight
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Panik bei der Fed
Montag, 17. März 2008

Die Fed ist verzweifelt. In einer Sonntags-Sitzung hat der Offenmarktausschuss nur zwei Tage vor der nächsten offiziellen Sitzung den Diskontsatz gesenkt und den Finanzmärkten weitere 30 Milliarden Dollar an Liquidität zur Verfügung gestellt. Auf so panische Maßnahmen kann die Wall Street eigentlich nur mit einem Crash reagieren.

Nur zwei Tage vor der Fed-Sitzung hat der Offenmarktausschuss der amerikanischen Notenbank den Diskontsatz um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent gesenkt. Eine weitere Senkung – und eine Senkung des Leitzinses um bis zu 100 Basispunkte auf nur noch 2 Prozent – wird für Dienstag erwartet.

Dass die Notenbank weniger als 48 Stunden vor dem nächsten Meeting dem Markt erneut entgegenkam, könnten Anleger durchaus als panisch und damit negativ auslegen. Ein positiver Effekt für den Markt hingegen droht von vorneherein nur sporadisch zu sein. Schon seit Wochen gelingt es der Fed selbst mit radikalen Zinssenkungen und kreativen Liquiditätsspritzen nur stundenweise für Kauflaune zu sorgen.

Experten an der Wall Street fragen sich zudem immer mehr, wann die ständigen Zinssenkungen der Notenbank auf den angeschlagenen Verbraucher durchwirken. Der zahlt zur Zeit nämlich nur theoretisch niedrigere Zinsen für seine Hypothek, weil Banken die Zinssenkungen nicht in vollem Umfang weiterreichen und auch die über Sonderfinanzierungen von der Fed gestellte Liquidität lieber zur Sanierung des eigenen Portfolios nutzen.

Zudem haben die Zinssenkungen weiter verheerende Auswirkungen auf den Dollar, der gegenüber sämtlichen internationalen Vergleichswährungen weiter abbaut. Zum Börsenstart an den asiatischen Märkten fiel die US-Währung am Montagmorgen (Sonntagabend Ortszeit Washington) unter 97 Yen und damit auf den tiefsten Stand seit mehr als zwölf Jahren.

Insider auf dem New Yorker Parkett rechnen mit einem Ausverkauf von US-Papieren. Dass sich die Börsen in den letzten Wochen noch einigermaßen stabil hielten, schieben viele nicht etwa einer immer wieder aufkommenden Nachfrage zu als vielmehr nervösen Short-Sellern, die ihre Leerverkäufe schon bei relativ geringen Kursstürzen zur Gewinnmitnahme eindecken. Sind einmal die Leerverkäufer bärisch – was durch die unorthodoxe Sonntags-Sitzung der Fed durchaus beschleunigt werden könnte – dürften an der Wall Street alle Dämme brechen.



Action am Sonntag: JP Morgan kauft Bear Stearns


Rettung für Bear Stearns: Zwei Tage nachdem das Unternehmen nur dank einer Milliarden schweren Finanzspritze sein Übernehmen sichern konnte, übernimmt die Großbank J.P. Morgan Chase das traditionsreiche Brokerhaus. Man zahlt für Bear Stearns etwa 2 Dollar pro Aktie – vor einem Jahr hatte das Papier bei fast 170 Dollar notiert.

Die Aktionäre von Bear Stearns müssen einer Übernahme durch J.P. Morgan Chase noch zustimmen. Allerdings hatte sich bereits vor dem Wochenende abgezeichnet, dass das Brokerhaus, das sich im Zusammenhang mit Subprime-Investitionen massiv verspekuliert hatte und letztlich keine Liquidität mehr hatte, nur durch eine Übernahme gerettet werden könnte.

J.P. Morgan Chase und Bear Stearns hatten schon am Freitag erste Übernahmeverhandlungen geführt; ein Deal wurde am Sonntag verkündet. Damit haben die Unternehmen versucht, noch vor Öffnung der asiatischen Aktienmärkte für Beruhigung im angeschlagenen Brokersektor zu sorgen und massive Kurseinbrüche an den internationalen Handelsplätzen zu verhindern.

Wie notwendig eine Übernahme von Bear Stearns geworden war, zeigte sich am Wochenende, als zu der bestehenden Liquiditätskrise auch noch Probleme mit einem asiatischen Investor aufgetaucht waren. So hatte das chinesische Brokerhaus CITIC erklärt, seinen Einstieg bei dem amerikanischen Traditionshaus mit einem geplanten Volumen von 1 Milliarde Dollar zu überdenken.

Mit einem Übernahmepreis von 2 Dollar pro Aktie gibt J.P. Morgan für Bear Stearns nun 236 Millionen Dollar aus. Die Aktie hatte am Freitag nach einem Kurssturz um 47 Prozent bei 30 Dollar geschlossen; vor einem Jahr hatte das Papier des 14 000 Mitarbeiter starken Unternehmens fast 170 Dollar gekostet, bevor es mit dem Ausbruch der Hypotheken- und Kreditkrise in einen steilen Sinkflug fiel.

Dass Bear Stearns für unglaubliche 2 Dollar pro Aktie verkauft wird, lässt Anleger und Analysten darüber rätseln, wie dramatisch die Probleme für das Brokerhaus wirklich waren. Noch mehr als in den letzten Tagen macht sich die Wall Street in den nächsten Tagen auf Hiobs-Botschaften gefasst: In der laufenden Woche melden unter anderem Goldman Sachs, Morgan Stanley und Lehman Brothers ihre Quartalszahlen.

Abgesehen von den Broker-Zahlen ist die Fed-Sitzung am Dienstag der wichtigste Termin der Woche. Anleger gehen davon aus, dass die Notenbank den Leitzins um 75 bis 100 Basispunkte senken wird. Der Offenmarktausschuss hat dem Markt seit Tagen weiteres Entgegenkommen signalisiert und will um jeden Preis Liquidität sichern. Daher senkte man bereits am Sonntag den Diskontsatz, zu dem Banken Geld leihen, um 25 Basispunkte auf 3,25 Prozent.
© Inside Wall Street
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