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Alt 13-03-2008, 20:18   #813
Starlight
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Die Fed in der Zwickmühle
Donnerstag, 13. März 2008

George W. Bush hat es gut. In seinem Parallel-Universum ist die Welt noch in Ordnung. Die Kriege in Afghanistan und Irak laufen erfolgreich, der internationale Terrorismus ist ausgeschaltet, und die US-Konjunktur – nun ja, sie brummt nicht. Sie durchlaufe gerade eine schwierige Zeit, meint der Präsident, aber eine Rezession sehe er nicht.

Darüber kann man geteilter Meinung sein. Man kann zwar in einem abgegriffenen Wirtschaftswörterbuch blättern und darin lesen, dass eine Rezession durch zwei Quartale mit negativem Wirtschaftswachstum definiert ist. Dann könnte man Bush recht geben.

Man könnte sich aber auch von längst überholten Definitionen verabschieden, sich in den Vorstandsetagen von Corporate America, in den Banken oder auf dem Parkett der New Yorker Börse umhören. Dann würde man feststellen, dass wirkliche Experten die US-Konjunktur auch ohne die zwei Minus-Quartale nicht nur in der Nähe einer Rezession sehen – sondern mittendrin.

Nun muss man sich nicht darüber ärgern, was George W. Bush sagt. Die überwältigende Mehrheit der Amerikaner wünscht sich nichts mehr, als dass sich der Präsident bis zum baldigen Ende seiner Amtszeit auf seine Ranch in Texas zurückziehen würde. Aber man darf durchaus wieder einmal den Kopf schütteln angesichts der Ignoranz, mit der das Weiße Haus den Problemen der Zeit entgegentritt.

Zumal diese Probleme nicht zu übersehen sind. Fassen wir zusammen: Die Kredit-Krise hat nicht nur die Bilanzen der Banken zerstört, sondern auch deren Willen künftig wieder Geld zu leihen. Die Kreditmärkte sind so illiquide wie nie zuvor, woran zuletzt nicht einmal die Zinssenkungen und sonstigen Geldspritzen der Fed etwas ändern können.

Überhaupt, die Fed – sie ist zur Zeit absolut hilflos. Und das kann man nicht einmal auf Ben Bernanke schieben, der seine begrenzten Hilfsmittel doch so kreativ und effektiv nutzt wie er nun eben kann. Doch gibt es eben Probleme, die sich durch Notenbankpolitik nicht lösen lassen:

Der Preisverfall am Immobilienmarkt lässt sich beispielsweise nicht geldpolitisch stoppen. Dem Verbraucher fehlt es zudem an Vertrauen und Kaufkraft, wie die jüngsten Einzelhandelsumsätze für den Februar zeigen. Die Rohstoffe – darunter Gold, Öl, aber auch Lebensmittel – werden immer teurer. Letzteres dürfte sich durch weitere Zinssenkungen der Fed sogar noch verschlimmern: Die Notenbank kämpft gegen eine erschreckend hohe Inflation und einen dramatischen Wertverfall beim Dollar; beides kann sie nicht stoppen.

Angesichts dieser stagflationären Trends sind mittlerweile selbst Berufs-Optimisten zur Vernunft gekommen. Hank Greenberg, der frühere CEO der American International Group und als solcher eine Legende im US-Finanzwesen, glaubt, dass der Abwärtstrend für die Konjunktur „mindestens bis Ende 2008 und wahrscheinlich deutlich bis ins Jahr 2009 anhalten“ werde.

Diese Einschätzung ist durchaus realistisch, denn die amerikanische Wirtschaft muss einige ihrer Probleme fundamental lösen. Auf dem Immobilienmarkt, aber auch im Bankenwesen und bei den Rohstoffen, muss eine deutliche Wertbereinigung stattfinden, die noch manches Opfer fordern wird. Zudem muss der Verbraucher umzudenken lernen: Der grenzenlose Konsum auf Pump, der Amerika in den letzten Jahrzehnten nach außen hin als gelobtes Land dastehen ließ, hat den Staat gleichzeitig ausgehöhlt. Insofern ist überhaupt fraglich, ob die Fed mit ihrer Niedrigzins-Masche überhaupt recht hat, oder ob man damit nicht nur die tödliche Sucht eines Junkies befriedigt.
© Inside Wall Street
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