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Alt 03-03-2008, 19:44   #807
Starlight
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3 Milliarden für den Stimmenfänger


Wenn auch die Zahl der Übernahmen jüngst nachgelassen hat, so gibt es doch einige – vor allem feindliche! – die für Schlagzeilen sorgen. Nach Microsoft’s Bemühungen um Yahoo und den Verhandlungen zwischen Electronic Arts und Take Two steht jetzt ein Dow-Wert im Rampenlicht, der in das Geschäft mit der Demokratie einsteigen will.

Der Industrie-Multi United Technologies, zu dem so vielseitige Unternehmen wie der Aufzughersteller Otis, der Turbinen-Experte Pratt & Whitney und der Hubschrauberbauer Sikorsky gehören, möchte jetzt gerne eine Firma unternehmen, der noch in diesem Jahr eine ganze Flut von Schlagzeilen bevorsteht: Diebold.

Wer in den letzten Jahren die Präsidentschaftswahlen in den USA verfolgt hat, dürfte mit dem Namen vertraut sein: Diebold stellt die Wahlmaschinen her, die George W. Bush wowohl 2000 als auf 2004 zur Präsidentschaft verholfen haben sollen. Ob die Maschinen, bei denen Amerikaner per Tast-Bildschirm und ohne ausgedruckten Beleg abstimmen, wirklich manipuliert worden sind, wurde zwar nie bewiesen. Dass sie aber recht leicht manipuliert werden können, hat eine ganze Reihe von Tests ergeben.

Umso erstaunlicher, dass die Wahl-Computer immer noch in Gebrauch sind. Und noch seltsamer, dass sich ein renommierter Konzern für das Unternehmen interessiert und sich die Übernahme auch noch einiges kosten lassen will. Satte 3 Milliarden Dollar will United Technologies für Diebold auf den Tisch legen; das entspricht 40 Dollar pro Aktie und damit einer Prämie von 66 Prozent auf den Schlusskurs von letzter Woche.

Wenn sich ein solcher Deal lohnt, dann nur weil Diebold außer dem skandalgeplagten Geschäft mit der Demokratie noch andere Sektoren bedient. Das Unternehmen ist einer der größten Hersteller von Geldautomaten und elektronischen Überwachungssystemen. Damit passt man viel eher zu United Technologies; immerhin gehört zu dem Dow-Konzern bereits seit letztem Jahr der Sicherheits-Experte Initial Electronic Security Systems. Dessen 1,2 Milliarden Dollar schwere Übernahme hat UTX zu einem der stärksten Partner in Sachen Sicherheit gemacht.

Die Übernahme von Diebold gebe UTX nun langfristiges Wachstumspotenzial, rechtfertig CEO George David das Angebot. Für Diebold-Aktionäre sei das Angebot ohnehin verlocken… doch das dürften diese anders beurteilen. Noch vor sechs Monaten notierte die Aktie bei mehr als 50 Dollar; seither ging es im allgemeinen Bärenmarkt nach unten. Dass sich Diebold als Schnäppchen aufkaufen lassen will, gilt an der Wall Street als unwahrscheinlich. Zumal das Unternehmen vor zwei Jahren schon einmal ein Angebot von United Technologies abgelehnt hat.

United Technologies dürfte sich nun an die Diebold-Aktionäre wenden. Dass geht aus einem Kommentar eines Firmensprechers vor, der erklärt, man wisse durchaus, welche Optionen man habe.

Die Aktionäre dürften eine Übernahme wesentlich positiver einstufen als die Diebold-Vorstände. Immerhin hatten die zuletzt kaum Grund, dem Unternehmen weiter die Stange – oder die Aktien – zu halten. Im vergangenen Geschäftsjahr hat man den Gewinn um zwei Drittel sinken gesehen; erst vor einer Woche hat Diebold Entlassungen angekündigt.

Dennoch: Selbst wenn die Aktionäre einer Übernahme zustimmen sollten, dürfte ein Merger in diesem Jahr nicht mehr über die Bühne gehen. Im Weißen Haus dürfte da mancher aufatmen – wäre ja noch schöner, wenn man sich acht Monate vor der Wahl nicht mehr auf die Maschinen und ihre Programmierer verlassen könnte.
© Inside Wall Street
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