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Alt 17-01-2008, 20:17   #788
Starlight
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Hilfeschreie an die Fed

Milliardenverluste bei den Banken, der Verbraucher schwächelt, die Arbeitslosigkeit steigt, die Industrie berichtet über rückläufige Umsätze… die Wall Street kämpft seit geraumer Zeit mit allen möglichen schlechten Nachrichten. Zur Lösung aller Probleme fällt den Experten aber immer nur eines ein: Man fordert Zinssenkungen.

Nun hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Notenbank der Wall Street bei ihrem nächsten Treffen Ende Januar noch einmal zu Hilfe kommen wird. Ben Bernanke hat das klar gemacht, und eine Zinssenkung um 50 Basispunkte ist fest eingepreist. Damit würde die Fed dem Markt seit September zum vierten Mal entgegenkommen – der Leitzins würde von anfangs 5,25 Prozent auf 3,75 Prozent fallen, die Diskontrate der Banken läge bei 4,75 Prozent.

Doch das ist der Wall Street nicht genug. Nachdem Dow und Co. mittlerweile um 15 Prozent unter ihre historischen Höchstmarken gerutscht sind, werden die Hilferufe nach Washington immer lauter. Am Montag forderten Anleger eine „Emergency-Sitzung“ mit einer Zinssenkung noch vor dem bisher anberaumten Termin. Am Dienstag steht plötzlich eine Zinssenkung um 75 Basispunkte im Raum. Beide Forderungen sind unverschämt und dürften sich nicht erfüllen – zum langfristigen Besten des Marktes.

Dabei geht es nicht einmal darum, dass ein derart dramatischer Eingriff der Fed in die Märkte Panik signalisieren könnte. Das würde ja höchstens Kleinanleger vergraulen und den Profis weitere Schnäppchen in die Hände spülen – kaum ein Problem für die Wall Street. Nein, vielmehr geht es darum, dass dramatische Zinssenkungen letztlich nicht mehr tun würden als die gigantische Kreditblase am Leben zu erhalten und den großen Knall noch einmal zu verschieben.

Denn hinter der Forderung nach Zinssenkungen steht nicht mehr als die Hoffnung der Experten, dass sich Verbraucher und Unternehmen wieder verstärkt Geld leihen und dann investieren würden. Diese Logik geht aber bestenfalls bei den Konzernen auf, während sich John und Jane Doe immer tiefer in ihr Schuldenloch graben würden. Es waren ja überhaupt erst die Zinssenkungen unter Alan Greenspan, die 2001 Geld historisch billig gemacht und dafür gesorgt hatten, dass die Verbraucher auf Pump einkauften was das Zeug hielt.

Abgesehen von den langfristigen Folgen für die Wirtschaft ist auch mit Blick auf den täglichen Aktienhandel nicht davon auszugehen, dass eine Mega-Zinssenkung eine Trendwende einläuten könnte. Im Gegenteil: Fällt der Leitzins um 25 oder 50 Basispunkte, würden die Indizes wohl enttäuscht abschmieren – fällt der Leitzins um 75 Punkte wäre damit nicht mehr als eine Forderung erfüllt. Für die Börse würde es wohl kurzzeitig aufwärts gehen, danach würde der Fed-Effekt aber genauso verhallen wie jeweils nach den letzten drei Zinssenkungen. Denn Anleger wissen: Die Fed allein kann die Konjunktur zur Zeit nicht retten – der US-Wirtschaft steht eine bereinigende Korrektur bevor, die bis in eine Rezession führen kann.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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