Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20-12-2007, 18:39   #785
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Fed-Gebote: Du sollst nicht lügen und betrügen

Den Leitzins zu senken mag an den US-Börsen das beliebteste Mittel sein, mit dem die Notenbank der Kreditkrise zuleibe rücken kann. Doch es gibt noch andere Wege: Die Fed kann den Banken billigere Kredit geben, über Bond-Auktionen Liquidität schaffen oder – wie jetzt geschehen – die künftigen Spielregeln für die Kreditinstitute ändern.

Die Notenbank hat in dieser Woche ein neues Regelwerk beschlossen, mit dem Hypothekenkrisen wie die laufende zumindest in Zukunft verhindert werden können. Dabei fällt vor allem eines auf: Die Regeln sind keineswegs revolutionär; sie verbieten den Kreditgebern lediglich Praktiken, die nicht nur dem gesunden Menschenverstand widersprechen, sondern in einzelnen Fällen direkt kriminiell sind.

So ist es Banken künftig nicht mehr erlaubt, Hypotheken mit „verlogenen Raten“ zu bewerben. In den letzten Jahren fiel mancher Hauskäufer auf Angebote herein, in denen ein „festgelegter Zinssatz“ Sicherheit bot – für zwei Jahre, wie sich dann im Kleingedruckten fand. Hinter dem Schlagwort „Festzins“ verbarg sich also ganz genau das Gegenteil: ein Kredit mit flexiblen Raten.

Es ist Banken künftig auch verboten, einem Kunden eine Hypothek zu geben, die sich dieser nicht leisten kann. Statt traumtänzerischen Leuten vorzurechnen, unter welchen fantastischen Umständen – Gehaltserhöhung, Erbschaft, etc. – sich künftig steigende Zinsen eventuell ertragen ließen, müssen Kreditgeber nun die Notbremse ziehen und illiquiden Kunden einen Kredit verweigern.

Ferner werden künftig illegitime Strafzinsen verboten, mit denen mancher Kreditgeber seinen Kunden heimlich Fesseln anlegte. In vielen Hypothekenverträgen steht, dass der Kredit zwar früher abbezahlt werden kann, aber nur gegen hohe Strafgebühren. Darüber waren sich hunderttausende Amerikaner zuletzt nicht im Klaren. Viele zahlten mehr als ihre vertragliche Monatsrate – statt sich damit früher zu entschulden, tappten sie in die Falle. In einigen Fällen konnten Hausbesitzer ihre Strafen nicht zahlen und verloren ihre Häuser.

Dass die Kreditgeber in den letzten Jahren überhaupt mit solchen Mitteln gearbeitet haben, beweist was 86 Prozent der vom Nachrichtensender CNN befragten Amerikaner ohnehin glaubten: Die Schuld für die Kreditkrise liegt bei den Banken. Einige Unternehmen der Branche haben mit betrügerischen Mitteln Hypotheken vergeben und müssen dringend an neue Regeln gebunden werden.

Einige Maßnahmen im Fed-Katalog richten sich indes nicht nur an die Subprime-Leiher, sondern an alle Hypothekengeber. Denen sind beispielsweise Bonus-Systeme verboten, die Maklern eine Umsatzbeteiligung zuschacherten, wenn diese dem Kunden eine Hypothek teurer als nötig andrehen konnten. Auch will die Notenbank künftig verstärkt darauf achten, dass Banken die Immobiliengutachter nicht mehr unter Druck setzen, Häuser über ihrem Marktwert auszuweisen. Dass solche Regeln überhaupt festgesetzt werden müssen, ist nicht weniger als ein Skandal – und doch nicht mehr als ein erster Schritt aus der Krise.

Wie tief Amerika im Subprime-Desaster steckt, ist indes noch lange nicht bekannt. Dass nach jüngsten Informationen selbst das bislang wackere Powerhaus Goldman Sachs im laufenden Quartal mit Problemen rechnet, deutet an, dass der Boden noch lange nicht erreicht ist.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten