Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 19-12-2007, 20:30   #784
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Tasche statt Tüte

Die Weihnachtsstimmung in New York ist nicht zu übersehen: Die Türsteher vor dem Spielzeugimperium FAO Schwarz tragen rote Mützchen, die Schaufenster sind festlich dekoriert, die kristallne Schneeflocke über der Fifth Avenue erhellt das Einkaufsparadies der Wohlbetuchten – doch die Kunden schauen mehr als dass sie kaufen.

An der Wall Street werden die Analysten immer pessimistischer für das laufende Weihnachtsgeschäft. Die Trendbeobachter in New York glauben hingegen, dass es längst nicht mehr darum geht, was in die Einkaufstaschen der Kunden kommt – wichtig ist die Tasche selbst. Die Edelboutiquen in Manhatten gestalten immer schickere Accessoires und nutzen die Tasche damit als ein letztes Werbeinstrument, das noch Kunden anziehen soll. Mit Erfolg, wie das Beispiel von Lord & Taylor zeigt:

Das traditionsreiche Modehaus hat ein ganzes Jahr an seinem Konzept für eine neue Tragetasche gefeilt und diese letztlich von Designer David Lipman gestalten lassen. Außen strahlend weiß und innen leuchtend orange ist das Teil ein Blickfang, der Name Lord & Taylor erscheint beidseitig im aufwändigen Reliefdruck, und eine anspruchsvoll geknotete Kordel liegt als Griff besser in der Hand als die Plastikriemen, die die frühere Wegwerf-Tüte verunstaltet hatten.

Die Tasche von Lord & Taylor ist in New York der letzte Schrei – doch kommt der nicht umsonst. Ganze 80 Cent lässt sich das Unternehmen jede Tasche kosten, das ist doppelt so viel wie der Branchendurchschnitt. Schlagzeilen inklusive, wohlgemerkt. Die New York Times berichtete jüngst auf der Titelseite über den Taschenkult.

Dem Beispiel von Lord & Taylor folgen nun andere Einzelhändler: Das Luxushaus Bergdorf Goodman, dessen Tasche mit einem modischen Silhouettendruck auf Lavendel legendär ist, arbeitet gerade an einem neuen Design, das im Herbst 2008 – rechtzeitig zum nächsten Weihnachtsgeschäft – vorgestellt werden soll. Eines ist vorab klar: Aus dem aktuell recht lapprigen Papier wird das neue Modell nicht sein. Insider rechnen mit einem Vinyl-verstärkten Körper, der das Teil für modebewusste Frauen zur zweiten Handtasche werden lässt.

Die Idee, die Tragetasche damit zum dauerhaften Accessoire zu machen, haben in New York zuletzt auch der Aerobic-Spezialist Lululemon und das Modehaus Scoop umgesetzt. Einzelhandels-Analysten hat das zunächst verwirrt, denn in den letzten Jahren ist der Umsatz mit teuren Lederhandtaschen so stark gestiegen wie nie zuvor. Elegante Handtaschen von Coach, die bis zu 1200 Dollar kosten, haben dem NYSE-notierte Unternehmen in den letzten fünf Jahren zeitweise zu einem Kursgewinn von 500 Prozent verholfen. Seit einigen Monaten hingegen verliert das Coach-Papier deutlich. Das könnte daran liegen, dass die kostenlose Coach-Einkaufstasche dem eigentlichen Produkt langsam den Rang abläuft.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten