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Alt 14-12-2007, 19:08   #783
Starlight
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Millionäre im Wahlkampf

Der US-Vorwahlkampf wird immer enger. Drei Wochen vor den ersten Stichwahlen tauchen jeden Tag neue Umfragen auf, die mal Hillary Clinton und mal Barack Obama vorne sehen, auf republikanischer Seite meist Rudy Giuliani und manchmal Mike Huckabee. Alle Kandidaten werden genau unter die Lupe genommen – bis hin zu ihrem Kontostand.

Nicht dass das persönliche Vermögen eines Kandidaten direkten Einfluss auf die Wahl hat oder haben sollte, doch lässt sich über einen Blick auf die Finanzen doch manchmal Interessantes herausfinden. Vor allem eines: Wenn die Politiker mit Anekdoten aus ihrem früheren Berufsleben Sympathien gewinnen wollen, tun sie das aus einer Perspektive, die entrückter nicht sein könnte:

So erinnert John Edwards gerne daran, wie er einst in einer Getreidemühle die Steine schrubben musste – ein Knochenjob. Schrubben musste auch Mike Huckabee, und zwar Fingerabdrücke auf den Glastüren des örtlichen Supermarktes. Im Einzelhandel diente auch der Republikaner Fred Thompson, der einst Kinderschuhe verkaufen musste. Hillary Clinton brüstet sich damit, in Alaska Fische ausgenommen zu haben, und Barack Obama hat seine Karriere wie jeder gute Amerikaner gewonnen – am Fastfood-Grill.

Obama mag gute Chancen haben, der nächste Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, ein Blick auf sein Konto zeigt ihn aber noch am nächsten an der Friteuse. Sein Nettowert: Knappe 1,3 Millionen Dollar. An seinem Haus in Illinois gehören dem Senator schlappe 600 000 Dollar, der Rest liegt bei der Bank. Knappe 400 000 Dollar hat Obama in Mutual Funds investiert, und etwa 250 000 hält er in Cash. Eine äußerst konservative Geldanlage, finden Analysten – aber vielleicht angemessen für den „ärmsten“ unter den Kandidaten.

Etwas besser geht es da schon Fred Thompson. Der Mann, der als rechtlicher Berater in den Watergate-Ermittlungen einen Frühstart in Sachen Politik hatte, stand nicht sein ganzes Leben lang im Dienste der Wähler. Als Lobbyist verdiente er fast zwanzig Jahre lang deutlich besser, später machte er als Hollywood-Star Karriere – heute ist er über 8 Millionen Dollar wert, wovon die Hälfte in Immobilien stecken.

Das Mittelfeld der Kandidaten ist recht eng besetzt: Mit einem Privatvermögen von 34,9 Millionen Dollar fällt Hillary Clinton nicht groß auf. Der größte Teil ihres Guthabens kommt aus den Tantiemen für das First-Lady-Memoir „Living History“ und aus den Einnahmen ihre Gatten Bill. Der Ex-Präsident hat für sein Buch mehr als 12 Millionen Dollar kassiert, zudem nimmt er rund 150 000 Dollar pro Vortrag. Viel Geld, das man besser investieren könnte. Die Clinton halten ein paar Aktien – von A wie Abbott Labs bis Y wie Yahoo – aber satte 30 Millionen Dollar in bar. Analysten empfehlen, mindestens die Hälfte davon in Aktien zu stecken, vor allem in inflationären Zeiten.

So wie das John McCain macht. Fast 25 von insgesamt 40 Millionen Dollar stecken in Aktien und Fonds. Die laufen allerdings größtenteils auf den Namen seiner Frau, die als Bier-Erbin hinter dem größten Teil des Familienvermögens steht. Anders als Rudy Giuliani. Der macht sein Geld selbst, investiert aber offensichtlich auch nach seinem Gusto – und nicht unbedingt mit Expertise. So hält er einige Finds, die bei den Ratingagenturen nur als drittklassig gelten.

An der oberen Grenze des Mittelfelds rangiert John Edwards. Der ehemalige Verteidiger hat sich seine Plädoyers teuer bezahlen lassen und hat heute ein Vermögen von fast 55 Millionen Dollar. Mehr als die Hälfte steckt in Aktien und Fixed Income, weitere 10 Millionen Dollar in Immobilien.

Bleibt der Blick an die Spitze: Mit Abstand reichster Kandidat ist der – bei den Wählern mittlerweile leicht abgeschlagene – Republikaner Mitt Romney. Der frühere Gouverneur von Massachussetts sitzt auf knapp über 200 Millionen Dollar, wovon etwa 150 Millionen in Wertpapieren angelegt sind. Weitere 18 Millionen stecken in Immobilien, weitere 18 Millionen in Cash. Die Anlage ist clever gewählt – kein Wunder: Romney ist Gründer von Bain Capital, einem Private-Equity-Unternehmen aus Boston.

Für Romney ist sein persönlicher Reichtum mehr als für alle anderen ein Politikum. In der aktuell heißen Diskussion um die Erbschaftssteuer ist seine Stellung klar: Schafft der Kongress die Erbschaftssteuer nicht ab, werden seine Kinder einmal mit bis zu 90 Millionen Dollar zur Kasse gebeten. Die Romneys sorgen jedoch vor und verteilen ihr Geld großzügig: Laut Gesetz dürfen sie Enkelkindern jährlich 24 000 Dollar schenken, und das summiert sich, schließlich ist Romney Mormone und hat bereits 12 Enkel.

Brisantes Detail: Vor dem Wahlkampf haben Romneys Berater einige Aktien aus seinem Portfolio verkauft, die politisch problematisch gewesen wären. Darunter einige Kasino-Aktien (bei den Mormonen ist Spielen verboten), und die Papiere einiger Konzerne, die geschäftliche Beziehungen zum Iran unterhalten.

Ob ihm der Verkauf nützt ist unklar, doch zur Zeit gehört Romney nicht zu den heißesten Anwärtern auf das Weiße Haus. In den Umfragen führen zur Zeit Hillary Clinton und Barack Obama, Rudy Giuliani und Mike Huckabee.










Zahlen mit Spongebob und Bambi


Andere Länder, andere Sitten: Die Amerikaner kennen ein Ritual, dass den meisten Europäern völlig fremd sein dürfte. Einmal die Woche setzen sich John und Jane Doe an ihren knarzigen Schreibtisch und bezahlen ihre Rechnungen – per Scheck. Den Kugelschreiber in der Hand werden Miete, Telefon und das Zeitungs-Abo beglichen. Das dauert.

Noch schlimmer ist es wohlgemerkt, wenn die mühsame Scheckschreiberei den Zahlungsverkehr nicht nur in den eigenen vier Wänden verzögert, sondern in der Öffentlichkeit. Es kommt nicht selten vor, dass Kunden im Supermarkt per Scheck bezahlen. Je nach Schreibtempo lässt das eine Schlange vor der Kasse noch länger warten als sonst.

Doch die Amerikaner nehmen´s gelassen; sie mögen ihre Schecks. Sie nutzen den auf 7 mal 15 Zentimeter genormten Schein nicht nur zum Zahlen, sondern auch als Spiegel in die Seele. Per Scheck lässt man die Mitmenschen erkennen, ob man lieber jagen oder fischen geht, welches Football-Team man unterstützt und ob Kinder im Haus sind. Die Banken drucken je nach Vorliebe des Kunden Hirsche und Heilbutt, Yankees und Red Sox, Spongebob und Bambi auf die Scheinchen.

Und dennoch: Jahrzehnte nach dem Aussterben des Schecks in Europa stellen auch die Amerikaner zumindest schrittweise auf elektronische Zahlungsmittel um. Aktuelle Daten der Fed zeigen, dass die Zahl der Scheck-Transaktionen im letzten Jahr um fast 7 Prozent gefallen ist, während die elektronischen Überweisungen um 12 Prozent zugelegt haben.

Experten beobachten diesen Trend seit einigen Jahren und loben die Effizienz der modernen Systeme. Die haben mittlerweile einen Anteil von zwei Dritteln des nicht baren Zahlungsverkehrs, während der Scheck auf ein Drittel zurückgefallen ist. Noch 2003 wurde jede zweite Rechnung mit dem Kugelschreiber beglichen.

Ganz aussterben wird der Scheck indes nicht. Etwa 30 Milliarden werden pro Jahr noch verschickt, notiert die Fed. Die stapeln sich so hoch wie der Mount Everest, der seinerseits so manches Scheck-Design ziert.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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