Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 10-12-2007, 17:53   #782
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Hank, Hillary und die Retter der Subprime-Loser

Mitten im Wahlkampf steckt Amerika in einer Kreditkrise. Nun spielen Republikaner und Demokraten Retter in der Not, springen dem kleinen Mann bei – im aktuellen Fall: Sie zwingen die Banken, die Zinsen für Hypotheken mit flexibler Verzinsung einzufrieren und Millionen von Amerikanern vor der Zwangversteigerung zu bewahren. Doch nicht alle Amerikaner jubeln den Rettern zu.

Dabei meinen die Politiker es zunächst gut. Angefangen von Finanzminister Hank Paulson, der nach tagelangen Verhandlungen mit den großen Kredithäusern einen Plan ausgeheckt hat:

Anstatt im nächsten Jahr planmäßig die Zinsen für bis zu zwei Millionen Subprime-Hypotheken anzuheben, was viele Hausbesitzer zahlungsunfähig und massenweise Zwangsversteigerungen herbeiführen würde, lassen die Institute die Sätze unverändert. Die Details wird Paulson am Donnerstagmittag bekannt geben. Es ist davon auszugehen, dass die Banken in irgendeiner Form vom Staat entschädigt werden und Rechtsschutz erhalten, falls sich die Investoren über entgangene Zinsgewinne beklagen.

Dass sich die Banken die höheren Zinsen entgehen lassen, kommt einem Schuldeingeständnis gleich. Die Unternehmen wissen, dass sie inmitten des Häuserbooms ganz tief in die Trickkiste gegriffen und bewusst Hypotheken verkauft haben, die den Schuldner binnen weniger Jahre überwältigen würden.

Dabei griff man nicht nur zu ungewöhnlichen Produkten, wie Hypotheken, an denen nur die Zinsen – und in manchen Fällen sogar weniger als die Zinsen – abgezahlt werden mussten. Manche Verkäufer ließen sich auch zu miesen Tricks im Verkaufsgespräch hinreißen, sprachen von möglichen Gehaltserhöhungen, dramatisch steigenden Häuserpreisen und der Möglichkeit einer lukrativen Refinanzierung… alles Dinge, die in einem gesunden Markt passieren können, den Investoren in der größten Immobilienblase der US-Geschichte aber vorenthalten blieben.

Millionen von Amerikanern hatten nun in den letzten Jahren eher das Traumhaus als eine mögliche Branchenkrise im Auge und unterschrieben naiv Hypotheken, die sie jetzt nicht mehr zahlen können. Die Deutsche Bank schätzt, dass 1,2 Millionen einzelne Darlehen in der Luft hängen. Die Bank of America rechnet damit, dass im nächsten Jahr pro Quartal 85 Milliarden Dollar an Krediten für ihre jeweiligen Schuldner zu teuer werden. Diesen zu helfen ist eine gute Sache, und die wollen die Demokraten im Wahlkampf natürlich nicht Hank Paulson und der Bush-Regierung überlassen.

So schaltete sich auf demokratischer Seite Hillary Clinton in die Debatte ein. Die New Yorker Senatorin stellte am Mittwoch ihren eigenen Maßnahmenkatalog zur Rettung der Subprime-Schuldner vor. Der geht etwas weiter als der Plan des Finanzministers und schließt einen Schutz für diejenigen Hausbesitzer ein, die bereits delinquent sind. Zudem will Clinton 5 Milliarden Dollar bereitstellen, mit denen die Kommunen Beratungszentren für verschuldete Hausbesitzer aufbauen sollen.

Das ist vermutlich die beste Idee in dem Konzept, über den Rest wird heftig gestritten. Denn wieder einmal – bei Paulson und Clinton – öffnet die Regierung all denen ein Hintertürchen, die sich verspekuliert und streng genommen selbst in die Krise manövriert haben. Werden denen die Zinsen eingefroren, werden alle anderen bestraft, die klug genug waren, ihre Häuser mit höher aber fest verzinsten Hypotheken zu finanzieren.

Andererseits wird dem Markt eine dringend notwendige Bereinigung vorenthalten. Der Häuserboom – ausgelöst, weil plötzlich auch Käufer im Markt waren, die sich kein Haus leisten konnten – haben die Immobilienpreise zwischen Florida und Los Angeles derart in die Höhe getrieben, dass sich viele seriös kalkulierende Amerikaner mit vernünftigen Hypotheken kein Heim mehr leisten konnten. Viele von ihnen bloggen nun um die Wette und bitten Clinton und die Regierung, nicht wieder auf Steuerkosten Abhilfe zu schaffen.

„Genug ist genug“, schimpft ein gewisser „Peter“ auf dem Immobilienblog des Finanzsenders CNBC und spielt damit auf die zahlreichen früheren Fälle an, in denen die Regierung Spekulanten geholfen hat. Das beginnt bei den Millionenzahlungen an die Fluggesellschaften und geht über die Rentenhilfe für die Automobilhersteller bis zu jeder weiteren Zinssenkung, mit der die Fed Liquidität in einen überschuldeten Markt treibt.

Mit Blick auf den hohen Schuldenstand will Blogger „Karl“ die Subprime-Krise samt der zu erwartenden Zwangsversteigerungen gar als „wake-up call“ verstanden wissen. Als ein endgültiges Signal an die Amerikaner, nicht dauernd über ihre Verhältnisse zu leben.

Solche Signale wären angebracht, zumal nach der Hypotheken- schon die Kreditkartenkrise mit einem weitgehend ungesicherten Volumen von weiteren 900 Milliarden Dollar lauert. Die kann nur abgewendet werden, wenn sich die Amerikaner zusammenreißen, auch wenn das angesichts der Sonderangebote für Navigationssysteme und Flachbildschirme vor Weihnachten schwer fällt.

Doch über den „wake-up call“ lachen Wirtschaftsexperten nur, und manche scheinen ihn gar nicht zu wollen. Denn wenn die Amerikaner weniger Geld ausgeben, spüren das die Unternehmen. Insofern hat sich das Land in seiner unersättlichen Konsumgier verrannt. Genau deshalb ist wiederum nötig, was am Donnerstag in Washington verkündet werden soll: Dass die Schuldner erlöst, dass ihre Zinssätze eingefroren werden.

Das kleine Übel – die Ungerechtigkeit gegenüber seriöseren Hausbesitzern – verhindert ein viel größeres Übel, nämlich eine Rezession. Der könne der Markt ohne Hilfe aus der Hauptstadt garantiert nicht entgehen, fürchtet Ron Insana, Chef-Analyst beim Finanzsender CNBC.

Alle die sich ungerecht behandelt fühlen und mit ihrem Schicksal hadern, mögen im Geist der Vorweihnachtszeit Trost finden. Die Zwangsversteigerung für Millionen von Immobilien-Zockern würde in den nächsten Jahren unzählige Familien obdachlos machen. Eine solche Krise zu verhindern gehört mindestens genau so zu Amerika wie die Gier und das gedankenlose Spekulieren, die zu der Krise geführt haben.


Setzt Citigroup auf Vikram Pandit?

Ob die Fed die Zinsen senkt, ein Saudi-Scheich Geld zuschießt oder ein Staat in Fernost Milliarden investiert… es scheint, dass irgendjemand immer bereit ist, den Großbanken zu helfen, die sich in eine Kreditkrise spekuliert haben. Die meisten Häuser erholen sich daher von ihren Kursverlusten – nur die Citigroup hinkt hinterher.

Von allen Bank-Aktien hat sich das Papier der weltgrößten Bank in den letzten Wochen am wenigsten von den Tiefschlägen auf dem New Yorker Parkett erholt. Und das hat einen guten Grund: Während auch andere Banken Milliarden-Abschreibungen und Rekordverluste einräumen mussten, hat die Citigroup ein viel größeres Problem: Inmitten der schwersten Krise ist das Unternehmen führungslos.

Seit man vor fünf Wochen den glücklosen Chuck Prince gefeuert hat, hat sich noch kein neuer CEO gefunden. Den heftig umworbenen John Thain, vormals Chef der New York Stock Exchange, hatte man verloren, als der sich für den CEO-Posten bei Merrill Lynch entschieden hatte. Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, war einige Zeit lang im Gespräch, doch bleibt der lieber in Frankfurt. Im eigenen Haus traute man keinem die Rolle zu, und die Chefs anderer Finanzhäuser fragten zurecht, warum sie denn beim Sorgenkind der Branche anheuern sollten. Der Reiz, den größten Finanzkonzern der Welt zu lenken, konnte es schließlich nicht sein, denn zu den ersten Aufgaben des neuen Lenkers dürfte eine Zerschlagung des Branchenmultis gehören.

Keine leichte Aufgabe, aber eine dringend notwendige. Chuck Princes Vorgänger Sandy Weill hat Citigroup durch aggressive Merger zu dem globalen Konglomerat gemacht, dass Anlegern während der Wachstumszeit Traumrenditen beschert hat – und das danach nicht mehr zu steuern war. Einzelne Sparten ließen sich nicht sauber integrieren, der Citigroup mangelte es an Unternehmenskultur. Die muss der neue Chef mitbringen, und entsprechend will der gut gewählt sein.

Schon in den nächsten Tagen könnte sich der Vorstand für Vikram Pandit entscheiden, munkeln Insider an der Wall Street. Der aus Indien stammende Top-Banker war jahrelang Chef der Investmentgruppe bei Morgan Stanley, bevor er 2005 im Streit mit dem damaligen CEO Phil Purcell das Unternehmen verließ. Purcell wurde kurz darauf gefeuert. Pandit gründete einen Hedgefond, der im vergangenen Sommer für 800 Millionen Dollar von der Citigroup übernommen wurde – und der Pandit in das Unternehmen brachte, das er jetzt führen soll.

Dass Pandit selbst an dem Job höchst interessiert ist, zeigt schon die Tatsache, dass er sämtliche Artikel, die ihn als Kandidaten sehen, seit Wochen auf seinem Blog präsentiert. Dass er den Job noch nicht hat, zeigt, wie viele Zweifler er noch besiegen muss. Die werfen ihm vor, zu wenig Erfahrung im Unternehmen zu haben. Damit wäre dann aber die Hälfte der einstigen Wunschkandidaten zu streichen, denn die kamen von außerhalb der Citigroup. Andere fürchten, Pandit sei im Umgang mit einem Finanzkoloss wie der Citigroup nicht erfahren genug. Doch wer ist das schon? Der geschasste Chuck Prince war es offensichtlich nicht. Und quer durch die Finanzbranche rechnet man ohnehin mit Entlassungen und Teilverkäufen bei Citi, wodurch der Koloss möglicherweise bald einfacher zu steuern wäre.

Zudem muss Pandit ja nicht alleine ans Ruder. Entgegen dem üblichen System, CEO und Chairman in Personalunion zu setzen, könnte man dem Vorstandschef einen Chairman zur Seite geben. Damit wäre die Führungsverantwortung auf zwei paar Schultern verteilt – so wie es auch bei anderen Konzernen besser wäre. Als Chairman haben Insider zur Zeit Robert Willumstad vom Dow-notierten Versicherer AIG im Auge. Zudem steht Richard Parsons zum Jahreswechsel zur Verfügung. Der ausscheidende Time-Warner-Chef sitzt im Aufsichtsrat der Citigroup und gehört zu der Direktorengruppe, die über die künftige Führung der Bank entscheiden soll.


Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten