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Alt 15-11-2007, 20:10   #775
Starlight
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Plastikkärtchen unterm Baum

Vielleicht ist es mangelnde Kreativität, vielleicht ist es die Angst der Sparsamen, ein falsches Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Fakt ist: Auch in diesem Jahr baut der Geschenkgutschein seine Führungsposition unter dem Weihnachtsbaum aus. Mehr als 26 Milliarden Dollar dürften per Plastikkärtchen verschenkt werden.

Der amerikanische Einzelhandelsverband NRF geht nach Umfragen davon aus, dass in diesem Jahr 26,3 Milliarden Dollar in Geschenkgutscheine investiert werden. Das entspricht einem Wachstum 6 Prozent gegenüber dem letzjährigen Weihnachtsfest. Doch steigt nicht nur die Zahl der verschenkten Kärtchen, sondern auch deren Gewicht: Im Schnitt liegen 122 Dollar auf dem Gutschein, über 5 Prozent mehr als 2006.

Die NRF-Analysten kennen das Erfolgsgeheimnis der Karte: „Leute schenken Gutscheine, weil sie hoffen, selbst mehr Gutscheine zu bekommen“, meint NRF-Präsidentin Tracy Mullin. „Damit wollen sie sich kaufen, was sie wirklich brauchen oder sich schon lange gewünscht haben.“

Damit ist die klassische Geschenkidee mit einem gewissen Überraschungsmoment wohl begraben. Sich vor dem Fest Gedanken zu machen, was man der oder dem Liebsten unter den Baum legen solle, scheint beim Beschenkten gar nicht mehr anzukommen – der sucht lieber selbst aus, was in sein Konsummuster passt.

Wie dem auch sei: Dass in diesem Jahr 87,7 Prozent der Verbraucher Geschenkgutscheine kaufen, kann dem Einzelhandel nur recht sein. Denn für die Branche hat das kleine Kärtchen eine ganze Reihe von Vorteilen: Falsch geschenkte Ware muss nicht zurückgenommen und umgetauscht werden. Und wer seine Karte im Laden einlöst, kauft oft über das Geschenk-Guthaben hinaus und trägt damit zum Umsatzwachstum des Händlers bei.

Doch haben die Kärtchen auch einen Nachteil für die Branche: Die Händler dürfen den Umsatz nicht beim Kauf der Karte vor Weihnachten verbuchen, sondern müssen warten, bis der Beschenkte den Wert einlöst. Doch angesichts des Scheinwerferlichts, das Analysten jedes Jahr auf die Umsatzzahlen zum vierten Quartal richten, kann es den Unternehmen nicht schnell genug gehen, zum Gutschein die Ware los zu werden. Entsprechend lukrativ gestaltet man Sonderangebote nach dem Fest, um tüchtig Verkehr in den Laden zu bringen.

Doch alle Sonderangebote und auch die reizvollste Auslage können nicht verhindern, dass bei manchem Beschenkten die Karte ungenutzt liegen bleibt. Ob der einlösende Laden das Interesse nicht weckt, oder ob der Gutschein im Weihnachtstrubel hinter den Kamin rutscht; bis zu 10 Prozent des Giftcard-Volumens bleibt uneingelöst. Das wiederum freut den Handel. In zahlreichen US-Bundesstaaten verfallen die bereits bezahlten Kärtchen nämlich nach zwei bis drei Jahren. Das einkassierte Geld taucht dann zwar nicht als klassischer Umsatz in der Bilanz auf – liegt aber trotzdem in der Kasse.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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