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Alt 01-11-2007, 20:18   #769
Starlight
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Muss Exxon bald für „Valdez“-Unglück zahlen?

Fast zwanzig Jahre ist es her, dass im Prinz-William-Sound vor der Küste Alaskas die „Exxon Valdez“ auf ein Riff auflief und mehr als 40 Tonnen Rohöl ins Meer schüttete. Dass dieses Unglück heute noch in den Schlagzeilen ist, liegt nicht nur daran, dass es eine der größten Umweltkatastrophen der Welt auslöste, sondern auch daran, dass der Konzern hinter dem Schiff noch immer nicht voll zur Rechenschaft gezogen worden ist.

Auf gerade einmal 287 Millionen Dollar bezifferte ein Gericht in Anchorage im ersten Prozess gegen ExxonMobil den Schaden, der durch das Unglück entstanden sei. Dieser Wert bezog den konkret entstandenen Sachschaden und einen Teil der direkten Kosten für die Aufräumarbeiten ein, die sich durch die wenig erschlossene Lage des Prinz-William-Sound über Wochen hinzogen.

Außergerichtlich erklärte sich ExxonMobil später bereit, für zahlreiche Folgeschäden zu zahlen. Etwa 3 Milliarden Dollar will das Unternehmen seither aufgebracht haben, um beispielswiese die betroffenen Kommunen oder die örtlichen Fischer zu entschädigen.

Keine Berücksichtigung fand hingegen der Verlust von Natur und Leben einbezieht – im Öl starben bis zu einer halben Million Seevögel, 5000 Ottern, 300 Robben, 250 Adler und 22 Wale. Und auch später diagnostizierte Langzeitschäden wurden nicht berücksichtigt wurden. So wurden hunderte von Helfern, die nach dem Unglück knietief im Öl standen und die Küste putzten, nicht entschädigt, als sie Jahre später über Lungen- und Kreislaufschäden klagten.

Viele dieser Schäden könnten wohl aus der Strafzahlung finanziert werden, zu der das Gericht in Anchorage den Öl-Multi ExxonMobil gleich im ersten Prozess mitverurteilt hatte. Doch die 5 Milliarden Dollar, die sich am Jahresgewinn des Öl-Konzerns orientiert hatten, sind bis heute nicht bezahlt.

Vielmehr hat ExxonMobil den Betrag immer wieder angefochten – häufig mit Erfolg: So wurde die Strafzahlung 2002 von einem Berufungsgericht auf 4 Milliarden Dollar gesenkt, und im Januar 2006 von einem höheren Gerichtshof sogar auf 2,5 Milliarden Dollar. Doch seither ist ExxonMobil erneut in Berufung. In dieser Woche hat der Supreme Court, der oberste Gerichtshof der USA, entschieden, den Fall in der laufenden Sitzungsperiode zu hören und endgültig zu entscheiden.

Es dürfte wahrscheinlich Frühling werden, bis die letzte Instanz im Prozess gegen den Öl-Multi tagt, der bis heute darauf beharrt, für eine der größten Umweltkatastrophen der Geschichte genug gezahlt zu haben. Klassische Strafzahlungen seien nicht angebracht, so der offizielle Standpunkt der Verteidigung, da die Katastrophe das Ergebnis eines Unfalls gewesen sei.

Die Anklage hingegen sieht ExxonMobil ganz klar in der Pflicht. Schließlich hatte das Unternehmen seinerzeit mit Joe Hazelwood einen Mann zum Kapitän des Tankers gemacht, dessen Alkoholsucht bekannt gewesen sei und von dem man gewusst habe, dass er trotz Rehabilitationsversuche weiterhin an Bord zur Flasche greife. ExxonMobil wusste zwar um die Vergangenheit des Kapitäns, streitet aber ab, von dessen andauernden Problemen gewusst zu haben – was nichts an der Tatsache ändert, dass Hazelwood zum Zeitpunkt des Unglücks betrunken in seiner Koje lag.

Inwiefern ExxonMobil nun für das Fehlverhalten des Kapitäns haften muss, wird also in den nächsten Monaten entschieden. Auf einen zugeneigten Richter kann ExxonMobil dabei nicht hoffen: Richter Samuel Alito, der zwischen 100 000 und 250 000 Dollar in XOM-Aktien besitzt, hat sich für befangen erklärt und sich aus dem Prozess ausgeklinkt.

Allerdings haben er und andere Aktionäre auch im Falle eines Urteils gegen ExxonMobil nicht allzu viel zu befürchten. Selbst die vollen 2,5 Milliarden Dollar könnte der Konzern heute längst aus der Portokasse zahlen. Im zweiten Quartal hat der Dow-notierte Öl-Riese einen Reingewinn von 10,2 Milliarden Dollar ausgewiesen, die Zahlen für das dritte Quartal werden am Donnerstag vorgestellt und dürften angesichts eines Ölpreises auf Rekordniveau nicht schlechter ausfallen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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