"Dennis ist einer der größten Ausnützer"
Im zweiten Teil des großen sportnet-Exklusiv-Interview spricht McLaren-Insider Jo Ramirez über die Spannungen zwischen den Titelkandidaten Alonso und Hamilton, die gespaltene Persönlichkeit von Ron Dennis und Ex-McLaren-Testfahrer Alex Wurz. Der Mexikaner arbeitete von 1984 bis 2001 als Team-Manager bei Ron Dennis' Rennstall und kennt das Perfektionistenteam daher wie kein anderer.
Lewis Hamilton ist seit mehr als einem Jahrzehnt eng mit McLaren verbunden. Ist es für Sie denkbar, dass er vom Team bevorzugt wird?
"Er ist Engländer und spricht die selbe Sprache wie alle Ingenieure und Mechaniker. Und auch abseits der Arbeit sitzen sie zusammen und scherzen auf Englisch. Obwohl Fernandos Englisch gut ist, versteht er nicht alles, und das hinterlässt Spuren. Er fühlt sich dadurch ausgeschlossen. Das ist ganz natürlich. Ich glaube, dass es bei Fernando aber noch schlimmer ist, denn er schottet sich komplett ab."
Also glauben Sie, dass Alonso es sich nur einbildet, benachteiligt zu werden?
"Ich habe mit ihm gesprochen und ihm versichert, dass in meiner gesamten McLaren-Zeit nie ein Fahrer bevorzugt wurde. Es gibt vier Ingenieure und vier Mechaniker pro Auto, und die gehen absolut sicher, dass beide Autos die gleiche Behandlung bekommen. Sie würden es sich selbst nicht erlauben, wenn ein Auto etwas bekommt, was das andere nicht hat. Außerdem stehen beiden Fahrern die selben Information zur Verfügung. Alonso hätte versuchen müssen, das Team für sich zu gewinnen, denn egal ob Prost, Senna oder Lauda – sie alle haben das getan."
Jo Ramirez im Gespräch mit sportnet.at-Motorsportchef Sven Haidinger.Wie hat sich das geäußert?
"Sie haben mit den Mechanikern geplaudert, mit ihnen gefrühstückt, ihre Hände geschüttelt, sind mit ihnen fortgegangen und haben sie gefragt, ob sie nette Frauen kennen gelernt haben – was auch immer. Sie haben einfach mit ihnen gesprochen und haben sich eingelassen – und ich glaube nicht, dass Fernando das getan hat. Die Mechaniker werden ihm nicht nachlaufen, nur weil er der zweifache Weltmeister ist. Der Fahrer muss sie an sich binden. Eine spanische Zeitung hat geschrieben, dass Alonso im Team nicht glücklich ist. Was will er? Er sitzt im besten Auto, neben dem Ferrari. Es wird nicht mehr besser."
Hatten Sie den Eindruck, dass Ron Dennis auf Alonso offen zugegangen ist?
"Ich bin mir sicher, dass er das tut. Ron ist ein sehr listiger Geschäftsmann – er wirkt nach außen sehr kühl, aber innerhalb des Teams ist das ganz anders. Er kümmert sich wirklich um seine Angestellten. Das Problem mit Ron ist, dass er dich hasst, wenn du weggehst. Er kann es einfach nicht verstehen, warum jemand das großartigste Team der Welt verlässt. Ab dem Zeitpunkt, wo du ihn verlässt, bist du für ihn nichts mehr Wert – das ist schlimm bei ihm. Aber so lange du für ihn arbeitest, bist du der Größte. Bei mir ist es das selbe – seit ich nicht mehr bei McLaren bin, habe ich dort noch immer viele Freunde. Aber mit Ron ist es anders: Wir sagen 'Hallo', mehr nicht."
Warum verhält er sich so?
"Er ist einer der größten Ausnützer wenn es um andere Menschen geht. Er benutzt dich, solange du für ihn arbeitest, und wenn du nicht mehr für ihn arbeitest, kann er dich nicht mehr benutzen. Dann bist du nichts mehr wert, und er spricht lieber mit jemandem, den er benutzen kann. Vielleicht ist er ja gerade deshalb so erfolgreich. Aber für mich ist das Leben am Ende zu kurz, um mir Feinde zu schaffen. Ich bin jetzt 40 Jahre in diesem Sport und habe dort keine Feinde – nur Freunde. Wenn ich zur Formel 1 komme, dann frühstücke ich bei Ferrari, esse bei Honda zu Mittag – ich bin überall willkommen. Die Rennen schaue ich mir aber immer bei McLaren an, denn wenn McLaren gut abschneidet, dann juble ich instinktiv auf – das würde bei Ferrari nicht so gut aussehen."
Alex Wurz war von 2001 bis 2005 McLaren-Testfahrer.Sie waren noch bei McLaren, als Alex Wurz 2001 als Testfahrer zum Team stieß. Welchen Eindruck hatten sie von ihm?
"Er war toll - ein echter Teamplayer und ein sehr guter Testfahrer. Ich bin ein bisschen traurig, dass er als Testfahrer so viele Jahre verloren hat. Natürlich hat er sich auch weiterentwickelt. Bei schwierigen Bedingungen hat er seine Erfahrung umsetzen können, aber solche Rennen gibt es halt nicht allzu oft. Deshalb ist er vielleicht nicht der Fahrer, den ein Team braucht. Ich mag ihn aber als Fahrer und als Mensch."
Wie hat er sich damals im Vergleich zu David Coulthard und Mika Häkkinen geschlagen?
"Beim Testen waren sie oft gleich schnell. Aber wenn ein Testfahrer zu lange keine Rennen fährt, kann er nur profitieren, wenn die Bedingungen am schlechtesten sind. Sonst wird er nicht da sein. Er verliert das gewisse Etwas, das man zum gewinnen benötigt."
Quelle: Sportnet