Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 30-07-2007, 20:44   #714
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Viel Lärm um nichts

Als Reporter kann man direkt Gefallen finden am Handel der letzten Tage. Ein neuer Rekord für die Blue Chips – satte 14 000 vor anderthalb Wochen – und dann ein Sturz ins Bodenlose… das macht richtig Spaß. Vor allem weil man als Reporter selbst keine Aktien hält. Doch auch wer im Markt investiert ist, sollte nach den letzten Tagen ruhig Blut bewahren.

Sicher, eine Achterbahnfahrt ist nicht jedermanns Sache. Manchem kommt schon im Kettenkarussel das Frühstück hoch, und der freie Fall ist ohnehin nur eingefleischten Abenteurern und Adrenalin-Junkies zu empfehlen. Allerdings ist die Wall Street auch kein Kinderspielplatz. Wer hier mitspielen will, der muss die Regeln kennen und einen starken Magen haben.

Nun scheint die Rallye der letzten Jahre – wir erinnern uns: seit einem Zwischentief im Oktober 2002 haben sich die Blue Chips im Wert fast verdoppelt! – einige naive Goldgräber angelockt zu haben, die nach einem allzu steilen Aufstieg in der dünnen Höhenluft den Bezug zur Realität verloren haben. Ein Sturz um mehrere hundert Punkte hat viele jetzt kalt erwischt.

Dabei ist alles halb so schlimm. So dramatisch es sich nämlich anhört, wenn die Blue Chips „dreistellig fallen“, so unspannend ist das heutzutage. Relativ gesehen entspricht ein Minus von 100 Punkten nämlich gerade noch 0,7 Prozent. Als der Dow Jones anno 1987 zum ersten Mal dreistellig nachgab, war das ein Minus von glatten 5 Prozent, denn der Index arbeitete seinerzeit an der Marke von 2000 Punkten.

Wie sehr sich Anleger vor „dreistelligen“ Indexbewegungen fürchten, überrascht also. Zumal doch jeder Investor weiß, dass die Rendite grundsätzlich nicht absolut sondern immer nur prozentual ermittelt wird.

Wie irrelevant die jüngsten Einbrüche prozentual gerechnet sind, zeigt auch ein Blick auf die historische Kurstafel. Da verzeichnet beispielsweise der Wilshire-Index, mit 5000 notierten Aktien der breitest gefächerte amerikanische Index überhaupt, für vergangenen Donnerstag in Punkten gerechnet den 18.-steilsten Verlust seiner langen Geschichte. In Prozenten gerechet rangiert der Tag auf Rang 90 – alles andere als historisch also.

Um bei den Prozenten zu bleiben: Der breite amerikanische Markt hat in der vergangenen Woche 5 Prozent eingebüßt – nach einer Rallye, die ihn innerhalb von zwölf Monaten um fast 30 Prozent hatte steigen lassen. Wer sich davon überrascht zeigt, der ist nicht etwa bullisch oder optimistisch, sondern einfach nur naiv. Kritischeren Marktbeobachtern ist klar, dass die Korrektur der letzten Woche höchstwahrscheinlich noch nicht einmal abgeschlossen ist. Bill Gross von Pimco hatte noch vor wenigen Tagen mit einer Korrektur „um bis zu 10 Prozent“ gerechnet. Auch das wäre nach einer 30-Prozent-Rallye nicht der Weltuntergang, sondern eher eine dringend notwengige Anpassung der Börse an das gesamtökonomische Umfeld.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten