Kommt der Radio-Oberkill?
Hat Radio wirklich einmal zu den „alten Medien“ gezählt? An der Wall Street zeigt sich am Dienstag, dass kein Medium mehr Schwung in die Amerikaner und in den Handel bringen kann, als das gute, alte Audio-Signal – das wohlgemerkt längst per Satellit direkt aus dem All in schicke, digitale Empfänger gebeamt wird.
Sirius Satellite Radio und XM Satellite Radios waren in den letzten Jahren der Inbegriff des Radio-Genusses. Frei von lästiger Werbung, mit Sendern für jeden Geschmack eroberten sie bis dato 14 Millionen Kunden. Allein, für die Aktien beider Konzerne ging es in den letzten beiden Jahren nut noch bergab. Zu teuer war der Konkurrenzkampf, zuviel Geld floß in den Ankauf exklusiver Inhalte – bestes Beispiel: Sirius zahl dem Schock-DJ Howard Stern 500 Millionen Dollar und legte jüngst einen Erfolgsbonus von 225 Millionen Dollar drauf.
Dass sich solche Verträge trotz steigender Abonenntenzahlen nicht unbegrenzt weiter führen lassen, scheinen nun Sirius und Konkurrent XM gemerkt zu haben. Statt gegeneinander will man künftig miteinander um Fans buhlen. Das gemeinsame Angebot kann sich sehen lassen:
Mehr als 300 werbefreie Stationen von Country über Oper bis hin zu Prog-Metal. Neben Howard Stern bringt der Rapper Eminem und Jimmy Buffet zum Programm von Sirius, Talk-Shows steuert unter anderem die Haushalts-Queen Martha Stewart bei. XM wirft derweil als Jazz-DJ keinen Geringeren als den Star-Trompeter Wynton Marsalis ins Programm, die Folk-Legende Bob Dylan hat eine eigene Sendung, und Talk-Königin Oprah Winfrey plaudert. Das ist Radio-Overkill. Für passionierte Hörer ein Traum – und absolut konkurrenzlos.
Genau darin wiederum liegt das Problem. Ein Merger von Sirius und XM dürfte nach Ansicht der meisten Branchen-Analysten aus regulatorischen Gründen niemals erlaubt werden. Immerhin würden sich bei einem solchen Milliarden-Deal nicht nur die Nummer Eins und Zwei einer Branche vereinigen, sondern überhaupt die beiden einzigen Anbieter am Markt. Damit hätte der Verbraucher keinen Konkurrenten, Satelliten-Radio wäre ein nahezu unantastbares Monopol, und die entscheidende Kommunikationsbehörde FCC hat eine solche Entwicklung erst vor wenigen Wochen abgelehnt.
Ein Stimmungswandel ist nicht zu erwarten, auch wenn man das in den Konzernzentralen von Sirius und XM gerne anders sehen würde. „Wir hätten einen Merger nicht einmal angedacht, wenn wir nicht eine Chance von mehr als 50 Prozent sehen würden“, erklärt Sirius-Chef Mel Marmazin, der als früherer Viacom-Boss eine Legende im amerikanischen Medienzirkus ist.
Sein Kollege Gary Parsons von XM stimmt zu und begründet, warum der „Merger unter Gleichen“ durchaus möglich sein soll. Man sei, so Parsons, gar nicht alleine auf dem Markt, denn Satelliten-Radio falle in dieselbe Kategorie wie der iPod mit Radio, Internet-Radio und Radio-Dienste über das Fernsehkabel. Davon wiederum gäbe es noch viele weitere, ein Monopol sähe man nicht.
Das ist natürlich eine gewagte These, denn das vor allem von Autofahrern gebuchte Satelliten-Radio lässt sich natürlich keineswegs durch Internet- oder gar Kabel-Provider ersetzen. „Die FCC wird den Satelliten-Markt sehr eng definieren und diese anderen Anbieter auf keinen Fall mit einrechnen“, meint Maurice McKenzie, Branchenanalyst beim kleinen Brokerhaus Signal Hill Capital Group. „Man dürfte weiterhin an einem Preiskampf im Sinne des Verbrauchers interessiert sein“, so McKenzie.
Anleger wollen das am Dienstag nicht wahr haben. Die Aktien beider Unternehmen klettern um jeweils rund 10 Prozent.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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