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Alt 08-02-2007, 17:00   #1
OMI
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eek 2000er Gefühl

2000er Gefühl
[08.02.2007 12:46:49]

Von Jochen Steffens
Seltsam ist, daß in den vergangenen Wochen immer wieder einzelne Werte massiv nach oben geprügelt werden. Am Mittwoch war es Infineon mit 10,7 Prozent. Das ist für einen Dax-Wert einfach ein Hammer. Oder TUI mit knapp 5 Prozent. Am Dienstag war es Fresenius Medical Care, davor Eon, Siemens und andere. Fast jeden Tag scheint ein neuer Wert durchs Dorf getrieben zu werden und selbst konservative Dax-Werte werden um 6 oder mehr Prozent nach oben gekauft. Ich frage mich schon seit Tagen, was das zu bedeuten hat. Sektor-Rotation ist ausgeschlossen, dafür ist es zu schnell. Wenig wahrscheinlich ist es, daß hier das große Geld einsteigt, denn in den meisten Fällen waren diese starken Kursbewegungen Reaktionen auf Nachrichten. Das große Geld kauft selten „nach“ Nachrichten, meistens ist es vorher schon drin. Zudem steigen erfahrene Trader nicht mehr ein, wenn ein Dax-Wert nach einer Nachricht schon 4 Prozent im Plus ist.

Wesentlich wahrscheinlicher ist, daß hier Shorties verbrennen. Die guten Nachrichten verursachen eine Short-Squeeze. Diese entsteht, wenn Anleger, die auf fallende Kurse setzen, also Short sind, durch steigende Kurse dazu gezwungen sind, die Short-Positionen zurückzukaufen. Dadurch steigen die Kurse noch weiter, so daß wieder andere auch gezwungen sind, die Shorts zurückzukaufen. Ein Teufelskreislauf. Das alleine kann es allerdings nicht sein. Sehr wahrscheinlich kommt noch hinzu, daß hier „dump Money“ also dummes, unerfahrenes Geld unterwegs ist und einfach auf alles draufspringt, was steigt und irgendwie in den Nachrichten erscheint.

2000er Phänomen?

Einigen von Ihnen werden sich beim vorangegangenen Satz die Nackenhaare gekräuselt haben. Genau, mich erinnert das auch an 1999/2000. Wir scheinen offenbar immer weiter in die Übertreibungsphase überzugehen. Einzelne Nachrichten zu Unternehmen werden gekauft, als gäbe es morgen keine Aktien mehr. Dazu paßt, daß die Indizes, besonders der Dax aus seinem Aufwärtstrend nach oben ausgebrochen ist. Das Problem dabei ist, und das habe ich hier schon häufiger geschrieben: Keiner kann sagen, wie lange so eine Übertreibungsphase die Kurse treiben wird. Das hängt im Prinzip von zwei Faktoren ab:

1. Wieviel Geld hängt noch gelangweilt an der Seitenlinie rum und kann in den Markt fließen?
2. Wird es irgendwann einen Punkt geben, an dem die Großen wiederum von dem kleinen Geld gezwungen werden, nachdrücklich in den Markt einzusteigen, einfach weil die Kurse immer weiter gehen und sie in eine Underperformance zum Markt geraten?

Mit anderen Worten, so unbefriedigend das auch sein mag, was da gerade passiert, ist auf der einen Seite sehr gefährlich, auf der anderen höchst explosiv. Und somit ist es verständlich, daß so viele meiner Kollegen nervös sind und nicht recht wissen, was sie machen sollen. Einer drückte das gestern sehr schön aus: Ich weiß einfach nicht mehr, was ich kaufen soll, die meisten Aktien sind einfach schon zu gut gelaufen. Und immer wenn man das denkt, dann sollte man vorsichtig werden.

Wie geht man mit einer solchen Entwicklung um?

Es wird Zeit, bei weiter steigenden Kurse die langfristigen Positionen zu reduzieren. Nehmen Sie ein paar Gewinne mit, ohne allerdings alles zu verkaufen. Sie können die Positionen nach und nach reduzieren und sichern sich so Gewinne, können aber auf der anderen Seite bei weiter steigenden Kursen noch profitieren. Sollten die Kurse anfangen einzubrechen, verringern Sie Ihre Positionen nach und nach immer deutlicher. Natürlich bleibt ein Stamm investiert, denn als langfristiger Anleger sollte man nie vollkommen aussteigen. Zumal noch die großen Trends alle in Ordnung sind.
Mit dem freiwerdenden Geld kann man sich vermehrt kurzfristig orientieren. Wenn das kleine Geld den Markt überspült, dann wird Charttechnik eine interessante Sache. Kaufen Sie jedes neue Hoch, eine einfache Regel, die gerade in Übertreibungsphasen sehr gut funktioniert. Wenn es nicht läuft, kann man dann auch schnell wieder aussteigen.


Jochen Steffens ist Autor des kostenlosen Newsletters "Investor's Daily".
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