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Alt 23-01-2007, 20:09   #610
Starlight
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US-Konzerne denken grün

Amerika steht am Dienstag vor einem der größten Fernseh-Abende des Jahres. Doch dürfte kaum einer Salsa angerührt und Bowle kaltgestellt haben, denn zum Feiern ist niemandem zumute. Die Rede ist schließlich nicht von Super Bowl – der wird erst in anderthalb Wochen ausgetragen –, sondern von Präsident Bushs Rede zur Lage der Nation.

Diese Nation hat sich in den letzten Monaten immer mehr von ihrem Präsidenten abgewendet. Den Irak-Krieg nennen immer mehr Kritiker ganz offen ein „Desaster“, dass die Sozial- und Steuer-Politik der Republikaner zu nichts anderem geführt hat als einer Umschichtung von noch mehr Milliarden von Arm zu Reich, ist auch bekannt. George W. Bush kommt in der jüngsten Umfrage auf eine Beliebtheit von 35 Prozent, das ist ein historisch niedriger Wert.

Insofern steht Bush am Dienstag vor keiner leichten Aufgabe. Erstmals sitzen ihm bei seiner Rede im Kongress mehr Demokraten als Republikaner gegenüber, schließlich hat seine Partei bei den letzten Wahlen im November die Mehrheit in beiden Kammern verloren. Von den verblieben Republikanern haben sich auch einige von ihrem Führer abgewendet. Ganz offen kritisieren auch Mitglieder der Parteispitze den Kurs des Weißen Hauses. Die geplante Entsendung weiterer 20 000 Soldaten in den Irak ist umstritten, und als in der vergangenen Woche die Demokraten die Steuervergünstigungen für die Öl-Industrie zurüchnahmen, votierten auch einige Republikaner für diesen Schritt.

Überhaupt dürfte die Öl-Branche weiter unter Beschuss bleiben, ebenso wie andere Unternehmen. Immer lauter verlangen die Amerikaner nach einer verbesserten Umweltpolitik. Kurz vor der Rede zur Lage der Nation haben sich jetzt einige der größten Konzerne zusammengeschlossen und ein Umdenken gefordert, darunter General Electric, der Alu-Riese Alcoa, der Öl-Multi BP und die Investmentbank Lehman Brothers.

Gemeinsam mit vier Umweltverbänden machen sie sich stark für die Einführung von Abgas-Grenzwerten. Einen Heiligenschein muss man ihnen dafür nicht verleihen, denn die Unternehmen gönnen sich Zeit für eine längst überfällige Umstellung – bis 2050 wollen sie den Schadstoffausstoß um 60 bis 80 Prozent gesenkt haben –, und sie lassen sich Hintertürchen offen, falls der ein oder andere zurückfällt.

So fordern die Unternehmen kein radikal neues Konzept, sondern vielmehr die Einführung von Abgas-Quoten für Unternehmen, die frei gehandelt werden dürften. Bleibt ein Konzern unter dem berechneten Grenzwert, darf ein anderer umso mehr Luft verpesten, der Schadstoff-Ausstoß wird zum handelbaren Gut.

Eine solche Regelung ist indes noch immer besser als gar keine Initiative. Zudem steckt in jeder Innovation eine Chance für die Wirtschaft. Wird Amerika gezwungen, weniger Schadstoffe auszustoßen, und werden Vergehen teuer geahndet, treibt das die Entwicklung alternativer Energien voran.

Das schafft Wachstum und Arbeitsplätze. Und könnte die Handelsbilanz der USA langfristig verbessern. Schließlich ist der größte Umweltverschmutzer der Welt bei weitem nicht der einzige. China holt auf und dürfte die USA in den nächsten Jahren als größter Emmitent von CO2 abgelöst haben. Obwohl das Land ebensowenig wie China irgendwelche internationalen Bemühungen um Umweltschutz unterstützt, dürfte auch dirt die Nachfrage nach alternativen Energien irgendwann entstehen – amerikanische Firmen hätten dann die Technologien und könnten exportieren.

Die US-Konzerne zeigen mit ihrer neuen Initiative einmal mehr, dass sich Unternehmensgeist und Umweltschutz gegenseitig nicht vollkommen ausschließen, sondern sich auch ergänzen können. Ob George W. Bush das Konzept aufgreift, wird sich am Dienstagabend zeigen, eine Kurskorrektur könnte ihm die letzten beiden Jahre im Amt nur ewleichtern.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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