Schüsse auf die Kolonne von Palästinenser-Premier Ismail Hanija haben die Spannungen verschärft. Die Hamas bezichtigt die Fatah, einen Mordanschlag verübt zu haben. Dazu die TA Korrespondenz.
TEL AVIV. Nicht zum ersten Mal geht in diesen Tagen das Gespenst eines palästinensischen Bürgerkrieges um. Doch immer wenn in der Vergangenheit die Spannungen zwischen Fatah und Hamas zu eskalieren drohten, riefen in letzter Minute die Führer beider Parteien zur Besonnenheit auf. Das ist diesmal nicht anders: es dürfe kein weiteres palästinensisches Blut vergossen werden, forderte der Hamas-Ministerpräsident gestern. Die Einheit zwischen Hamas und Fatah müsse dringend wieder hergestellt werden. Doch ziehen die beiden stärksten Fraktionen in den Palästinensergebieten längst nicht mehr an einem Strang und vielleicht ist für eine Deeskalation der Lage in den vergangenen Tagen bereits zu viel palästinensisches Blut geflossen.
Allein gestern wurden bei Auseinandersetzungen in Ramallah im Westjordanland und im Gazastreifen über 30 Menschen verletzt. Nachdem tags zuvor eine Gruppe bewaffneter Männer den Konvoi des aus Ägypten nach Gaza zurückkehrenden Ministerpräsidenten Hanija beschossen hatte, war die ohnehin angespannte Stimmung übergekocht. Hanija hatte mehrere Stunden im Grenzterminal Rafah warten müssen, da Israel den Regierungschef nicht mit prall gefüllten Koffern von seiner Rundreise durch Staaten der Region einreisen lassen wollte. Erst nachdem er ungefähr 35 Millionen Dollar an die ägyptischen Behörden übergab, durfte er die Grenze passieren. Das Geld soll nun über die Arabische Liga den Palästinensern zugute kommen.
Ungeduldige Hamas-Aktivisten stürmten derweil unter Gewehrfeuer auf das Grenzgebäude zu, bombten ein Loch in den Grenzzaun und lieferten sich Gefechte mit Angehörigen des zur Sicherung der Grenze abgestellten palästinensischen Sicherheitsdienstes. Ein sichtlich wütender Hanija erreichte gegen Mitternacht sein Haus: "Wir wissen, wer auf unsere Autos geschossen hat und dabei einige von uns verletzt hat. Wir wissen, wer es war und wir wissen auch, wie wir darauf zu reagieren haben", drohte er. Schon bald präsentierten Vertreter der Hamas zwei Theorien: entweder die Präsidentengarde von Präsident Abbas sei für das Attentat verantwortlich, oder der starke Fatah-Mann im Gazastreifen, Mohammed Dahlan stecke dahinter. Im Gazastreifen kam es dann auch ausgerechnet wenige Straßen vom Wohnsitz Dahlans entfernt zu Schußwechseln zwischen Hamas- und Fatah-Leuten. Außerdem positionierte die Hamas Angehörige ihres Sicherheitsdienstes an strategischen Orten im Gazastreifen, um Stärke zu demonstrieren. In Ramallah kam es bei einer Hamas-Demonstration zu Schusswechseln, bei denen zahlreiche Demonstranten und bewaffnete Kämpfer der Organisation verletzt wurden. Ein Sprecher der Hamas bezichtigte Mahmud Abbas vor 100 000 Anhängern in Gaza, einen Krieg gegen Gott und gegen die Hamas ausgerufen zu haben. Abbas wies die Verantwortung von sich.
Mit Spannung warten nun alle auf eine lange für morgen angekündigte Rede von Präsident Abbas, die die Situation möglicherweise noch weiter eskalieren könnte. Angeblich soll er die Regierung auflösen wollen und in einem Referendum Neuwahlen zur Abstimmung stellen. Die Hamas lehnt einen solchen Schritt ab. Nach Informationen europäischer Diplomaten hat Abbas die Auflösung der Regierung schon öfter erwogen, dann aber aus Angst vor einem Bürgerkrieg davon Abstand genommen. Zudem sieht es kaum so aus, als ob die Fatah bei Neuwahlen viel besser abschneiden würde als bei den Wahlen zu Beginn des Jahres. An einer Bestätigung der Hamas in der Regierung kann Abbas aber gerade nicht gelegen sein..
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"Mittagessen? Nur Flaschen essen zu Mittag!"
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