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Alt 14-12-2006, 20:24   #597
Starlight
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Die Öl-Krise im Irak

Eigentlich hatte man angenommen, dass Washington eine Woche nach Vorlage des Irak-Berichts einer parteiübergeifenden Experten-Kommission nur ein Thema kennen würde, nämlich die Restrukturierung des dortigen Feldzugs. Doch scheint es zur Zeit keiner eilig zu haben, eine Strategie zu finden, am wenigsten US-Präsident George W. Bush.

Für den läuft zur Zeit alles so schlecht wie möglich. Die Irak-Kommission – obwohl einer ihrer Vorsitzenden der langjährige Bush-Freund James Baker war – hat dem Feldherrn und seinen Planern im Pentagon ein verheerendes Zeugnis über den Irakkrieg ausgestellt. Außer der super-radikalen New York Post haben die Medien in den letzten Tagen einigermaßen kritisch über das Thema berichtet, und folgerichtig wurden Bushs Umfragewerte am Donnerstagmorgen auf einem neuen Tiefstand gemeldet.

Eine weitere Studie über die Verhältnisse im Irak könnte den amerikanischen Präsidenten jetzt noch tiefer fallen lassen. Denn während Bushs Gönnern und Kritikern längst klar war, dass es dem Texaner bei seinen Bemühungen im Nahen Osten vor allem oder zumindest auch um Öl ging, werden jetzt immer mehr Details darüber bekannt, wie schlecht es auch an dieser Front läuft.

Am Anfang hatte alles – wie auch in anderen Bereichen des Krieges – ganz optimistisch geklungen. Nach einem erfolgreichen Feldzug würde der Wiederaufbau eines neuen Irak die Amerikaner gar nicht allzu viel kosten, sondern ließe sich größtenteils oder komplett aus den Öl-Umsätzen des Staates begleichen. Das klang einleuchtend, schließlich verfügt Irak nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Öl-Vorräte der Welt. Rund 115 Milliarden Fass sollen zwischen Mosul und Basrah unter der Erde liegen.

Sofort nach Kriegsende könnte der Irak mit bestehenden Anlagen mindestens 3,5 Millionen Fass pro Tag fördern, binnen weniger Jahre sollten es 6 Millionen Fass pro Tag sein. Damit hätte der Irak bei aktuellen Ölpreisen Einnahmen von rund 130 Milliarden Dollar im Jahr. Doch davon ist man im Krisengebiet weit entfernt. Laut der Internationalen Energiebehörde werden zur Zeit höchstens 1,9 Millionen Fass pro Tag gefördert, mindestens 500 000 davon – also mehr als ein Viertel – verschwindet auf dem Schwarzmarkt.

Damit wäre auch das größte Problem angesprochen, das die Produktion im Irak belastet. Es sind nämlich nicht so sehr die fehlenden Anlagen, sondern es ist eine mangelnde Ordnung und Organsation in einem kriegsgeschüttelten Land, die eine schnellere Erholung verhindern.

Allein die Verteilung der Öl-Umsätze sei ein Hauptproblem, meinen Experten. Zur Zeit gehen die Umsätze für aktuell gefördertes Öl zentral an die Regierung, die Umsätze mit künftigen Förderungen gehen an die jeweilige Region. Dort bekriegen sich dann die Stämme. Im an Öl reichen Norden des Landes regieren die Kruden, im Süden die Schiiten. Nur in den Sunni-Gebieten gibt es kaum Quellen. Dass man diese Gruppe bislang entsprechend nicht an den Geschäften beteiligt hat, führt zu regelmäßigen Terroranschlägen auf Öl-Quellen und Pipelines. Hier tut eine neue Regelung unter Einbeziehung aller Völkergruppen Not.

Auf der anderen Seite muss die Korruption im irakischen Öl-Geschäft ausgemerzt werden. Ein Mitglied der Irak-Kommission berichtet, dass in einer Raffinierie bei Bagdad täglich derart viel Öl gestohlen wird, dass sich eine Schließung der Anlagen finanziell rechnen würde. Das Öl wird regelmäßig von einer Truck-Flotte abgeholt, die schon zu Zeiten Saddam Husseins aktiv war, als der das Öl-for-Lebensmittel-Programm der Vereinten Nationen missbrauchte.

In all dem Gewirr trauen sich besser organisierte ausländische Konzerne kaum ins Land. Unternehmen, beispielsweise aus den USA, wissen zur Zeit nicht, mit wem sie langfristige Verträge über die Förderung von Öl schließen können. Direkte Folge: Irak verdient noch immer kein Geld mit dem Export des schwarzen Goldes. Für George W. Bush ist das eine weitere Niederlage, für den Irak eine verpasste Chance.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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