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Alt 12-12-2006, 17:51   #596
Starlight
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Transatlantische Feindschaft

An den amerikanischen Börsen gibt es zur Zeit Merger ohne Ende. Am interessantesten allerdings sind die, an denen die Börsen selbst beteiligt sind, denn die Geld-, Aktien- und Rohstoff-Märkte erleben die größte Umstrukturierung ihrer Geschichte. Mitten im Gewühl sitzt die Nasdaq, die ihr Übernahmeziel in London notfalls erobern will.

Anders wird das freilich auch nicht mehr gehen, denn die London Stock Exchange, seit fast einem Jahr der auserwählte Partner für die elektronische Börse mit Sitz am New Yorker Times Square, hat ein Übernahmeangebot schon zwei Mal abgelehnt. Auch für die jüngst gebotenen 1,243 Pfund pro Papier will man sich nicht von den Amerikanern auskaufen lassen, man hält das eigene Haus von der Nasdaq für deutlich unterbewertet.

Die Nasdaq unterdessen will ihr Angebot auf keinen Fall aufstocken. Immerhin: Die jüngste Offerte lag schon satte 30 Prozent über den 0,95 Pfund, die man im vergangenen März geboten hatte. Damals hatte man 4,2 Milliarden Dollar für den Kauf der LSE eingeplant. Dabei ist der Wert des Londoner Handelsplatzes sicher nicht gestiegen. Im Gegenteil: Die Ankündigung einiger großer amerikanischer Brokerhäuser, darunter Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley, eine eigene elektronische Handelsplattform aufzubauen, hat die Aktien der LSE einbrechen lassen.

Die Nasdaq hat es einigermaßen eilig, ihre Expansion nach Europa durchzuziehen. Denn die Konkurrenz seitens anderer Börsen, die ihrerseits fast wöchtlich Kooperationen und Übernahmen melden, nimmt ständig zu. Einige bekannte Häuser sind unter Käufern heiß begehrt, die LSE nicht zuletzt. Schließlich ist erst vor wenigen Monaten ein Übernahmeangebot der Frankfurter Börse abgelehnt worden.

Entsprechend hat man nun auch die Bedingungen für eine feindliche Übernahme heruntergeschraubt. Die Nasdaq, die sich schon rund 28 Prozent der Anteile an der LSE gesichert hat, will schon zuschlagen, sollten nur 50 Prozent der Anteile hinter einem Merger stehen. Anfangs hatte man noch auf die Zustimmung von 90 Prozent der Aktionäre gesetzt.

Die neue, niedrigere Hürde und der mittlerweile höhere Anteil der Nasdaq führen dazu, dass nur noch eine überschaubare Zahl von LSE-Eignern an einer Kooperation mit der Nasdaq interessiert sein müssen, die Zustimmung zahlreicher Hedgefonds und anderer Investoren braucht man nicht mehr. Diese waren zuletzt verstärkt bei der LSE eingestiegen, um von steigenden Übernahme-Angeboten zu profitieren.

Die Eigner der LSE haben nun bis zum 11. Januar Zeit, ihre Haltung zu einer möglichen Übernahme durch die Nasdaq kund zu tun.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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