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Alt 11-12-2006, 18:31   #595
Starlight
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Bringt die Notenbank nur „old news“?

Der Countdown läuft. In wenigen Stunden fällt die amerikanische Notenbank eine Zinsentscheidung und gibt eine Erklärung ab, aus der die Wall Street hofft, auf die weitere Fed-Politik schließen zu können. Vorher häufen sich die Zweifel daran, dass Ben Bernanke & Co. irgendetwas neues zu sagen haben.

Um es vorweg zu nehmen: Die Zinsentscheidung selbst ist an der Wall Street nicht einmal ein Thema. Der Offenmarktausschuss wird wohl den Leitsatz unverändert bei 5,25 Prozent belassen, das steht so gut wie fest. Viel wichtiger ist jedoch, was in der begleitenden Presseerklärung steht, in der die Fed nach jeder Sitzung ihre Entscheidung begründet und Hinweise auf die künftigen Trends gibt.

Doch auch die Presseerklärung könnte die Experten im Financial District enttäuschen. Man wäre sehr überrascht, wenn sich am aktuellen Wortlaut irgendetwas ändere, schreibt Wells Fargo. Damit könnte man durchaus recht haben, denn die Fed ist nicht dafür bekannt, allzu eloquent zu erörtern, was im Meeting besprochen wurde. Regelmäßig ist das Statement von Bernanke & Co. von mehr oder weniger allgemeinen Einsichten geprägt, die den Währungshütern selbst im Falle einer richtungsweisenden Aussage immer ein Hintertürchen offen lassen.

Im Statement am Dienstag wird die Fed wieder erklären, dass Inflation die Hauptsorge der Notenbank sei. Dass die jüngsten Inflationsdaten, vor allem auch die Lohninflation, deutlich moderater ausgefallen sind als zunächst erwartet, ändert daran nichts. Denn was sonst sollte die Hauptsorge der Fed sein? Eine Rezession, etwa? Eine solche legt der jüngste Arbeitsmarktbericht nicht nahe, und auch die zuletzt schwachen Daten aus dem Produzierenden Gewerbe oder die angespannte Lage im Immobilien- und im Automobilsektor werden noch keinem Notenbanker das R-Wort in den Mund legen.

Und noch aus einem anderen Grund liegt allein der Gedanke an eine Rezession fern. Nachdem man die Zinsen zwei Jahre lang schrittweise angehoben hat und sich dabei trotz oft lautstarker Proteste des Marktes sehr sicher fühlte, muss eine „weiche Landung“ gelingen, also ein Übergang zu einer Zeit stabiler Zinsen, kontrollierter Inflation und attraktiven Wirtschaftswachstums. Die Fed hat dieses Ziel vor Augen, und jetzt von einer Inflation zu sprechen, wäre schon deshalb riskant, weil sich an der Wall Street Prophezeihungen oft von selbst erfüllen.

Die Notenbank wird also an ihrem bisherigen Statement festhalten und keine weiteren Anhaltspunkte dazu liefern, ob die Zinsen nun im ersten Quartal gesenkt würden – und warum. Der Markt wird sich seine Wahrheiten und seine Prognosen in den Stunden und Tagen nach der Sitzung selbst zusammensuchen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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