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Alt 30-11-2006, 19:46   #591
Starlight
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Geld verteilen statt vermehren

Die Wall Street ist, warum die Finanzwelt Tag für Tag nach New York blickt. Doch liegt nicht alles Geld der Stadt im Börsenviertel an der Südspitze. Uptown wohnen die Reichen, und denen geht es nicht nur darum, ihr Geld zu vermehren, sondern immer mehr darum, ihr Geld zu verteilen. Für viele kommt mit Geld auch Verantwortung.

Einige solcher Philantropen, darunter George Soros, versammelten sich in dieser Woche im Waldorf-Astoria, um im Rahmen eines deutsch-amerikanisch-jüdischen Gala-Abends einen Mann zu ehren, der sich eine gerechtere Verteilung des Wohlstands auf der Welt zur Lebensaufgabe gemacht hat: James D. Wolfensohn, den früheren Präsidenten der Weltbank. Die Laudatio hielt kein geringerer als der deutsche Bundespräsident Horst Köhler, der dem Internationalen Währungsfond vorstand, als Wolfensohn sein wichtigster Partner im globalen Geschäft war.

Wolfensohn bekam am Mittwochabend in New York die prestigeträchtige Leo-Baeck-Medaille überreicht. Die etwa 300 Gäste labten sich an Filet Mignon und Spargelspitzen gefolgt von einer Mousse-au-Chocolat-Pyramide mit karamelisierten Mandeln, einer Spezialität des Hauses. Sie hatten für den wichtigsten Fundraiser des jüdischen Kulturinstitutes jeweils 750 Dollar gezahlt, und dürften die edlen Speisen als Beigabe betrachtet haben – im Mittelpunkt standen warme Worte engagierter Politiker.

Den Anfang machte Henry Kissinger. Der frühere amerikanische Außenminister, dessen Akzent die deutsche Herkunft bis heute mit jedem Wort offenbart, stellte die Weggefährten Köhler und Wolfensohn als zwei persönliche Freunde mit großem, selbstlosem Engagement vor. Köhler ging ins Detail und zeichnete die Arbeit mit dem ehemaligen Weltbank-Chef nach, den er seinerzeit bei einem Antrittsbesuch auf dem Landsitz in Jackson Hole, Wyoming, kennengelernt hatte.

„Dein Motto“, so Köhler zu Wolfensohn, „war immer: Der Stärkere muss Mitverantwortung für den Schwächeren tragen.“ Nach diesem Motto habe man jahrelang in Afrika und den Entwicklungsländern anderer Regionen gearbeitet – mit einigem Erfolg. Man sei dem Ziel, die globale Armut bis 2015 auf die Hälfte zu reduzieren, seit Wolfensohns Anfängen, ein gutes Stück näher gekommen.

Dass dies nicht nur sozial und menschlich wichtig sei, sondern letztlich politisch und für das Überleben der Gesellschaft die Grundbedingung, machte Wolfensohn dann selbst klar. „Wir sitzen hier in New York und glauben, der Mittelpunkt der Welt zu sein“, mahnte der bald 73-Jährige. „Dabei verschiebt sich das Gewicht, und in wenigen Jahren sind China, Indien, Russland und Mexiko die wichtigsten Länder.“

Dieser Umstand ist an der Wall Street wohlbekannt. Dass er am Mittwochabend in Anwesenheit einflussreicher Millionäre, zahlreicher Politiker und einem Großteil der deutsch-amerikanischen Diplomatie wieder einmal besprochen wurde, macht die Welt nicht auf einen Schlag besser, hält die Diskussion aber lebendig und unterstreicht die Wichtigkeit dieses Problems.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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