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Alt 31-10-2006, 20:43   #575
Starlight
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Strategien zu Halloween

Es gibt keine Statistik darüber, wer an Halloween mehr verdient: Die Süßwaren-Industrie oder die Zahnärzte. Sicher ist aber, dass an letztere keiner denken mag, der am Dienstagabend irgendwo zwischen New York und Nebraska durch die Nachbarschaft zieht und mit der knappen Forderung „Trick or Treat“ um ein paar Schleckereien bittet.

Die Schleckereien bekommen die Kinder meist. Schließlich will keiner, dass nachher ein Halloween-Spuk auf dem Haus lastet und irgendwelche Geister den Schlaf rauben. Jeder anständige Amerikaner hat also einen riesigen Korb Süßigkeiten gleich neben der Tür stehen. Darin geht es bunt zu, es tummeln sich Schokoladen und Schokoriegel, Lakritz, Bonbons, Marshmallows – und meist hat bei der Auswahl der Ware nur eines eine Rolle gespielt: der Preis.

Was billig ist, ist nicht immer gut – vor allem nicht im Süßigkeitenregal. Die bunten Packungen, die in den Wochen vor Halloween in allen Supermärkten gleich am Eingang lagerten, sind Kalorien- und Zuckerbomben. Während sich Politiker immer mehr um Übergewicht als neue Volkskrankheit sorgen und die amerikanische Gesundheits-Lobby zu gesunden Snacks rät, kämpfen die Süßwaren-Hersteller um ihren Markt. Mit kreativen Mitteln.

So gibt es vor Halloween nicht nur alle möglichen „Treats“ im preisgünstigen Sammelpack, sondern – noch verlockender – in neuen Varianten, manchmal streng limitiert. Da wird für sechs Wochen statt normaler Michschokolade weiße Schokolade genommen, da hat das Snickers eine Kürbisform. Hershey hat es vor einigen Jahren schon vorgemacht, die übrigen Hersteller sind schnell nachgezogen, und zur Zeit dürfte M&M der Anbieter mit den besten Einfällen sein. Nicht nur zu Halloween übrigens, sondern auch über´s Jahr verteilt zu allen möglichen Anlässen. Weiße M&Ms stellten Perlen dar als die kleinen Chocolates Werbung zum Piraten-Film „Fluch der Karibik“ machten, schwarze M&Ms in den Tüten erinnerten an „Darth Vader“, während der letzte „Star-Wars“-Streifen lief.

Für die Süßwarenbranche hat eine „Limited Edition“ übrigens gleich zwei Vorteile. Einerseits schlagen Kunden verstärkt zu aus purer Angst, etwas zu verpassen. Andererseits lassen sich auf diesem Wege neue Geschmackstrends erproben. Denn über die Verkaufserfolge lässt sich schnell ausrechnen, wie gut ein Riegel mit Kürbisgeschmack ankam, oder ob die neue Schoko-Marshmallow-Kombi ankommt. So lassen sich effektivere Produkt-Strategien entwickeln als zuvor. Denn wenn der Kunde mit dem Geldbeutel abgestimmt hat, ist das für jeden Süßigkeiten-Hersteller ein zuverlässigeres Urteil als frühere Geschmacksumfragen.

Auf eines jedenfalls können sich die Unternehmen verlasen – auch ohne Umfragen. Gewisse Wünsche der Gesundheits-Apostel werden wohl nie in Erfüllung gehen. So bleibt der Cartoon in der Halloween-Ausgabe von „Time“ wohl immer ein Witz: Da steht ein kleiner Geist und hält verstört ein Stück Brokkoli in der Hand. Doch das würde wohl kein Amerikaner den Kids antun, und das wiederum freut auch den Zahnarzt.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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