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Alt 27-10-2006, 20:33   #573
Starlight
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Die Opec, das zahnlose Kartell

Die niedrigen Pegel in den Öl-Lagern haben der Wall Street in dieser Woche Sorgen gemacht. Das ist etwas überraschend, denn die Lager sind immer noch voller als vor einem Jahr um diese Zeit. Zudem hatte sich der Markt zuletzt wenig um die verfügbaren Öl-Mengen gesorgt, selbst die Opec fürchtet man nicht mehr.

Mehr als eine Woche ist es nun her, dass die Opec die Förderquote um 1,2 Millionen Fass pro Tag gesenkt hat. Das Kartell war damit etwas weiter gegangen als erwartet. Analysten waren davon ausgegangen, dass die Quote wohl um 1 Million Fass gesenkt werde, doch wollte die Opec sich schließlich nicht dem allgemeinen Konsens anschließen, sondern auch wieder einmal die Muskeln spielen lassen.

Umso ärger muss es die Öl-Minister in den Tagen nach ihrer Konferenz getroffen haben, dass der Markt von der Senkung gar nicht sonderlich beeindruckt war. Das einzige Ziel – durch geringere Fördermengen den Preis wieder nach oben zu drücken – hat man verfehlt. In den Tagen nach der Opec-Sitzung brach Öl weiter ein, zur Zeit handelt der Rohstoff etwa unverändert auf dem Niveau vor der Ankündigung.

Amerika fürchtet die Opec nicht mehr, obwohl das Kartell noch immer für 43 Prozent der weltweit geförderten Öl-Menge verantwortlich ist. Doch reagiert man längst mehr auf Taten als auf Worte, denn die Opec hat in den vergangenen Jahren häufig mehr gebellt als gebissen. Öl-Spekulanten werden die Opec erst in ihre Preiskalkulation einbeziehen, wenn diese geringere Förderquoten nicht nur ankündigt, sondern umsetzt.

Das wiederum ist erst für November geplant, und es ist überhaupt nicht sicher, ob sich die Mitgliedsstaaten letztlich an die Vorgaben aus der Sitzung halten. Zuletzt taten sie das nämlich häufig nicht, wie Öl-Analyst Thomas Hartmann von Altawest Worldwide bestätigt. Die einzelnen Staaten fördern über ihre offiziellen Quoten hinaus und beschummeln ihre Kartell-Kollegen, um für sich selbst höhere Gewinne einzustreichen.

Dieser interne Betrug ist ein offenes Geheimnis, weshalb es auch offizielle und inoffizielle Förderquoten gibt – die beiden trennen zur Zeit eine halbe Million Fass. Die neuen, gesenkten Quoten sollen nun von den offiziellen, niedrigeren Mengen ermittelt werden, droht die Opec, doch das beeindruckt längst niemanden mehr.

Zumal die Opec nicht nur bei den Quoten mogelt, sondern noch einen anderen Fehler begangen hat. Man hat, so Rakesh Shankar von Moody´s, in der jüngsten Sitzung die ungenutzten Kapazitäten verdoppelt. Bis zu 3 Millionen Fass pro Tag wären noch drin, heißt es aus dem Kartell, und damit hat der Markt offensichtlich keine Grund zur Sorge. Das letzte Mal als die Opec von derart großem Förderpotenzial gesprichen hat, lag der Ölpreis bei 30 Dollar, erinnert sich Shankar.

Auf 30 Dollar wird der Rohstoff in nächster Zeit wohl dennoch nicht sinken, dafür sorgt schon der im Winter allgemein höhere Bedarf, zudem gibt es auch noch die Krisen in zahlreichen Öl-Staaten außerhalb des Kartells, etwa der Streit mit Venezuela oder die Angriffe auf Öl-Firmen in Nigeria.

All das macht die Opec langfristig zum wichtigsten Partner der USA, wenn es um Öl-Lieferungen geht. Ganz nach Belieben kann das Kartell die Preise aber nicht diktieren, dass hat der Markt in den letzten Tagen bewiesen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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