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Alt 24-10-2006, 18:03   #571
Starlight
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Ein Laptop verbessert die Welt

Das Ding sähe ja aus wie die „Hausaufgabe für den Technik-Unterricht“, höhnte einst sogar der visionäre Apple-Chef Steve Jobs über den XO. Doch der 100-Dollar-Laptop, der die Ausbildung von Millionen Kindern in Dritte-Welt- und Schwellenländern revolutionieren könnte, geht jetzt tatsächlich in Produktion.

Ab November sollen die ersten Geräte ausgeliefert werden, die sich der frühere Chef des Media Lab am renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT), Nicholas Negroponte, ausgedacht hat. Vom ersten Konzept und dem Prototypen bis zum jetzigen Serienmodell hat der XO eine beachtliche Entwicklung hinter sich:

Weg ist die Kurbel, die Schüler am Laptop unabhängig von der Stromversorgung machen sollte. Eine solche Kurbel war ja abgebrochen als der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan den Computer bei einer Technologie-Konferenz präsentierte. Der XO kommt jetzt mit einer Aufzieh-Schnur ähnlich der eines Rasenmähers. Ein Zug lässt den Laptop lange genug laufen, nicht zuletzt dank eines revolutionären Energiespar-Konzepts.

So läuft der XO auf einem AMD-Prozessor, der nur 5 Watt verbraucht statt der übrigen 50 bis 100 Watt, die ein durchschnittlicher Laptop-Prozessor schluckt. Auch der Bildschirm ist ein ungewöhnlich stromsparendes Modell, das sogar ausgeschaltet werden kann – der Kontent ist dann wie bei einer Zeitung allein über das reflektierende Licht von außen zu sehen.

Der Kontent übrigens macht da weiter, wo die Hardware schon neues Terrain betreten hat: Google stellt Opensource-Software zur Verfügung, die freie Enzyklopädie Wikipedia stellt eigene Seiten für den XO zusammen. Kein geringerer als Weltverbesserer Bono und seine Mannen von U2 machen das Gerät dann wirklich schick und steuern Soundeffekte bei.

Damit sind auch schon einige der Partner genannt, die an OLPC – „one laptop per child“ – mitarbeiten. Weitere sind der Chiphersteller Marvell, der Netzwerkspezialist Nortel und der Programmierer Red Hat. Kooperiert wird auch mit Quanta Computer in Taiwan, dem weltgrößten Laptop-Hersteller. Die Partner versorgen Negroponte und sein Team nicht nur mit erstklassiger Ware, sondern vor allem mit unschlagbaren Preisen. „Alle stehen wirklich hinter dem Projekt“, lobt OLPC-Vize Mark Foster.

Foster hat den Prototypen mittlerweile in zahlreichen Foren und Expertenrunden vorgestellt, bald will er die ersten Geräte ausliefern. Die ersten 5000 Stück werden noch im November fertig sein, dann sollen am nächstem Sommer jährlich mehrere Millionen aufgelegt werden. Fünfzig Millionen XO-Computer sollen bis 2008 bei Kindern in aller Welt verteilt sein – gesponsert übrigens von den jeweiligen Regierungen.

Die ersten Lieferungen gehen nach Brasilien, als nächstes ist Nigeria dran, doch wird das afrkanische Land schon von der Konkurrenz umworben. Intel kritisiert das OLPC-Projekt hart und schreibt in einem Brief an den nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo, dass es sich nur um einen „PC mit sehr begrenzten Möglichkeiten“ handele. Man will dem Land nun seinerseits 3000 voll funktionsfähige Computer spenden, dazu Software für 10 Millionen Dollar.

XO-Erfinder Negroponte kann das nur recht sein. Er hat sein Projekt nicht als Business gegründet, das Konkurrenz scheut, sondern als nicht profitorientierte Organisation. „Wenn ich mit einem billigen Computer andere dazu bringe, teure Computer zu spenden, dann ist das fantastisch“, meint der Chef von „One Laptop per Child“.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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