Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 13-09-2006, 20:28   #538
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Apples großer Schritt ins Filmgeschäft

Mode ist an der Wall Street kein großer Faktor. Auf dem Parkett tragen die Händler die Westen ihrer Brokerhäuser, und sonstige Klamotten spielen nur eine Rolle, wenn Ann Taylor, The Gap oder Abercrombie & Fitch Quartalszahlen melden. Zur Wochenmitte indes wird über ein Stück Stoff spekuliert – ein schwarzes Hemd.

Das schwarze Hemd trug nämlich Apple-Chef Steve Jobs bei einer Produkteinführung am Dienstag in San Francisco. Das fiel insofern auf, als Jobs seit Jahr und Tag im schwarzen Pullover auf die Bühne tritt und nun auf einmal – zugeknöpft bis an die Gurgel – ganz anders wirkte als sonst, obwohl er durchaus um Lockerheit bemüht war und den selben Applaus der Mac-Fans genießen durfte.

Eines aber war doch anders bei Apples jüngster Präsentiation, oder zumindest direkt im Anschluss daran. Denn während die Fans ihrem Steve Jobs – ob mit Pulli oder Hemd – zu Füßen lagen, sind Analysten ungewohnt kritisch. Nicht gegenüber dem neuen iPod Schuffle, wohlgemerkt, der im neuen Streichholzschachtel-Format kommt, und nicht ggenüber der neuen iPod-Serie in Farbe und mit verbessertem Speicherplatz.

Nein, die Kritik der Analysten gilt dem Einstieg von Apple ins Filmgeschäft. Der war durchaus vorhersehbar, zumal Steve Jobs seit der Übernahme der Trickfilmschmiede Pixar durch Walt Disney einer der größten Anteilseigner an dem Medien-Konzern ist. Auch hatte der sagenhafte Erfolg des Download-Programms iPod von vorneherein nahegelegt, dass Apple irgendwann aus dem Musiksektor in den Kinobereich wachsen würde, zumal schon seit mehr als einem Jahr Fernsehserien das iPod-Angebot ausgeweitet haben.

Doch sehen Branchenexperten Probleme auf Apple zukommen, die man im Musiksektor nie hatte. Denn der Erfolg von iTunes hängt vor allem mit dem niedrigen und vor allem einheitlichen Preis von 99 Cent zusammen, den Apple für jeden Song verlangt. Solche Schnäppchen wird man im Filmsektor kaum bieten können. Denn die Industrie ist nicht in einer derartigen Krise wie seinerzeit die Musikverlage, denen Steve Jobs vor etwas mehr als drei Jahren als Retter in der Not erschien, und die Deals schlossen, die sie heute bereuen.

Kaum ein Musik-Manager ist mit seinen geltenden Absprachen mit Apple zufrieden. Allein, da Apple drei Viertel des Download-Marktes beherrscht und kein Unternehmen aus dem schnell wachsenden Internet-Segment fallen will, fügt man sich den Vorgaben. Die Film-Industrie indes wird sich einen Einheitspreis nicht aufhalsen lassen, sondern für alte Filme weniger, für neue aber mehr Geld verlangen. Das geht etwas auf Kosten der Simplizität, die iTunes ursprünglich so erfolgreich gemacht hat.

Zudem ist nach wie vor offen, wie stark sich im Filmgeschäft ein Kauf- gegenüber einem Verleihservice behaupten kann, wenn der nicht Extras wie eine schöne Verpackung bietet. Der pure Download mag manchem Verbraucher nicht so attraktiv erscheinen als eine Leih-DVD aus der Videothek oder – um im Internet zu bleiben – vom Versand-Leiher Netflix.com.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten