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Alt 01-09-2006, 09:20   #1507
Benjamin
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Hi zusammen,

besten Dank für den Zuspruch. Kann gut nachvollziehen, was Du schreibst, simplify. Eine skeptisch-negative Einschätzung macht dann keinen Spaß, wenn sie wichtig für das eigene persönliche Umfeld ist - und in der Argumentation nicht so einfach vom Tisch zu wischen ist. Dann löst sie eher Angst aus, Ablehnung, Verdrängung, die Flucht-Fokussierung auf verbliebene positive Dinge.

Kurz gesagt macht es mir Spaß, komplexe Dinge zu analysieren, um daraus "Muster" abzuleiten, die als Orientierung dienen können. Selbst wenn das Muster unsympatisch ist, macht das Analysieren als solches durchaus Spaß. Was macht man mit dem Ergebnis der Analyse, wenn es einem selbst im Moment der Analyse unsympatisch ist? Siehe oben - oder man stellt sich bewußt darauf ein. Dann wird man zum Kassandra-Rufer: Man ruft zwar voraussichtlich wahre, aber unsympatische Botschaften aus, aber keine Socke glaubt auch nur ein Wort davon. Warum? Siehe oben.

Das kann ich nicht auflösen. Ich kann nur versuchen, die Kirche im Dorf zu lassen, und das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.

Außerdem kann ich längerfristig eine sehr positive Idee hier zum besten geben, die bei mir derzeit noch in der Prüfung ist:

Angenommen, meine hier gepostete "US-Kongresswahlvariante" würde stimmen. Und auch die Aussage guter Elliott-Leute würde stimmen, dass das Top im Jahr 2000 noch nicht DAS finale Top war, sondern erst die große 3 (von insgesamt 5). Das würde bedeuten, dass
- die 1. Korrekturwelle runter 2000 - 2003 lief
- die 2. Korrekturwelle rauf 2003 - ? ,
- die 3. und letzte Korrekturwelle runter erst noch ansteht hin zur großen 4.
- Danach dann aber ein lange anhaltender Bullenmarkt folgen sollte, also dann erst DAS große Top, DIE große 5 käme, jenseits des Tops im Jahre 2000.

Ich kann mir das mit einer Analogie plausiebel machen, die eine interessante historische Parallele zieht zwischen den Metall- und Gold-reichen Kelten (und ich glaube: Goten) damals einerseits und den Öl- und Gas-reichen arabischen Ländern im Nahen Osten heute andererseits:

Als die Römer - im Stammgebiet sehr rohstoffarm - seinerzeit (in der Spätphase ihrer Expansion) nach großen Rohstoffquellen zur Finanzierung ihrer zunehmenden Dienstleistungsgesellschaft im eigenen Stammland benötigten, dann gelang ihnen dies durch die Eroberung wichtiger rohstoffreicher Völker: Die Kelten besaßen rund 400 Goldminen, rund 70 Tonnen Gold. Dazu Silber und andere Metalle. Ein unvorstellbarer Reichtum in der damaligen Zeit. Plus sie konnten das Metall gewinnen und bis zum Kunsthandwerk auch verarbeiten. Im heutigen Rumänien gab es damals ebenfalls ein Volk (Goten?), dass erhebliche Goldmengen besass. Beide Völker haben die Römer angegriffen, besiegt und anschließend die dortigen Menschen gezwungen, die Minen + die Verarbeitung zu betreiben und den Reichtum den Römern zu geben. Der Punkt: Die temporäre Kriese einer Rohstoffknappkeit bei gleichzeitig abnehmender originärer Wertschöpfung im Stammland (die Produktion - also die originäre Wertschöpfung - war ausgelagert in die Billiglohn-Provinzen, im römischen Kerngebiet wurde konsumiert und Dienstleistung betrieben) wurde von den Römern durch die gewaltsame Aneignung des letzten verbliebenen Rohstoffschatzes durchaus erfolgreich gelöst. Die Welle 4 war beendet. Es folgte eine Blütezeit für Rom. In Rom wurde gebaut ohne Ende. Lange Schauspiele wurde organisiert zur Belustigung der Massen. Es war wieder Geld in den Kassen. Eine große Party. Die letzte. An deren Ende war man nur noch auf das Konservieren des Status Quo fixiert. Es fehlte jede mentale Dynamik. Rom war ein mächtiger, aber statischer Monolit geworden, erzkonservativ, ohne positive Ausstrahlung auf Menschen in anderen Völkern. Es kam zu Ablösungsentwicklungen, die römischen Herrscher konnten kaum noch gestalten sondern verwalteten Probleme; das Reich zerfiel. Das Ende der Welle 5.

Es liegt auf der Hand, hier Parallelen zu den USA zu sehen.

Daraus folgt aber doch eine - für den Westen - langfristig positive Sicht der Dinge, oder? Irak mit seinen 2.-größten Erdölreserven der Welt und der Iran werden nach dieser Analogie absehbar unter die Kontrolle des Westens gelangen. Der ganze Nahe Osten wird - dieser Analogie folgend - irgendwann vom Westen massiv dominiert werden. Im Fall Iran dürfte dies nach einem Angriffskrieg von USA/Israel etwa April/Mai 2007 passieren, zumindest sollte dies ein wichtiger Meilenstein dieses Weges hin zur Beherrschung der weltwichtigsten Öl- und Gasvorräte werden.

So, und wenn das gelungen sein wird, dann wird im Westen, vor allen Dinge in den USA, die letzte große, lange Party beginnen: Die finale Welle 5 aufwärts beginnt, das Top aus dem Jahre 2000 wird überwunden. Das ist doch etwas für die Bullen im Westen, oder?

Tja, das alles hat nur mindestens einen Haken: Die Ausgangsbedingung, dass in 2000 erst die 3 und nicht schon die 5 war, ist unter Elliottleuten nicht unumstritten. Schaut man sich zudem die historischen Langfristcharts vieler Wirtschaftsparameter an, dann kann man sich wohl nur mit Schwierigkeiten vorstellen, wie da noch so eine Zauberrally 5 später möglich sein soll.

Der bullische Kerngedanke bleibt jedoch überlegenswert: Die Kosten für Energie sind für eine immer technisiertere Welt von zentraler Bedeutung, die ja auch noch als solche immer weiter wachsen wird. Gleichzeitig ist bekannt, dass das Energieangebot demnächst toppen wird (es wird für Öl das Jahr 2008 genannt) und Angebotsalternativen noch nicht in dem Umfang bereitstehen bzw. nur zu höheren Kosten. Eine Verhaltensumstellung beim Konsum von Energie ist unpopulär. Da würde es Sinn machen, sich "zur Not" gewaltsam Erleichterung zu verschaffen.

Gleichzeitig sorgt die Expansion von insbesondere China und Indien auch weltwirtschaftlich für eine noch länger anhaltende Dynamik - die auch viele Rohstoffe und möglichst billige Energie braucht. Diese Überlegung könnte evtl. auch China im US-Sicherheitsrat am Ende dazu bewegen, im Kalkül der Eigeninteressen den Sanktionen gegen Iran doch zuzustimmen.

Möglicherweise will man sich mit dem gewaltsamen Einverleiben des Nahen Ostens in den westlichen Dominanzbereich einfach nur Zeit verschaffen, also die Schwierigkeiten einer Umstellung einfach auf später verschieben. Und die gewonnene Zeit dann natürlich auch zu Exzessen des alten Verhaltens vergeuden - wenn man bei den alten Römern bleiben will.

Für die Schwellenländer wäre eine Phase billiger Energie ein Segen: Wachstum ohne Ende, ihr Anteil an der Börsenkapitalisierung der Unternehmen dieser Welt würde deutlich steigen (momentan liegen nach meiner Erinnerung rund 50% davon in den USA).

Also, diese Idee einer noch ausstehenden Welle 5 hat etwas. Sie ist allerdings nur um den Preis einer militärischen Unterwerfung der unkooperativen Ölstaaten im Nahen Osten zu bekommen. Diese Unterwerfung nennt man dann offiziell Befreiung vom Terrorismus. Auch das wäre übrigens nicht neu: Schon Cäsar benutzte das Märchen von der Befreiung der Kelten von der Bedrohung durch böse Nachbarn, um seinen eigenen Mordfeldzug in den selbst verfaßten Berichten 'schön' darzustellen. Es wurde geglaubt: Nur die Römer schrieben Berichte und Bücher. Sie besaßen ein Monopol beim geschriebenen Wort. Die Kelten hatten keine Schreibkultur, sie lebten nach mündlich überlieferten Traditionen in kleineren Stämmen und Clans, wo man keine Bücher benötigte: Man redete miteinander, irgendwelche Räte entschieden gemäß Tradition. Irgendwie erinnert mich auch das an die Situation in den muslemischen, arabischen Ländern des Nahen Ostens heute. Ich fürchte, da ist ein starkes Muster. Es braucht sehr gewichtige Einflussfaktoren, um eine Wiederholung heute zu verhindern. Wo sollten die sein?

Ich kann mir nur eines vorstellen: USA und Israel könnten bereits heute derartig geschwächt sein, dass sie die materielle und mentale Herausforderung eines Krieges nicht mehr einzugehen bereit oder in der Lage sind. Israel ist wirtschaftlich bereits sehr arg gebeutelt, mental kurz vor dem Kippen, mit dem Rücken zur Wand. Das geht nicht mehr beliebig lang gut, das Land braucht eine lange Phase zumindest des Waffenstillstandes. Die USA - tja, da sieht es noch deutlich besser aus. Die könnten - imho. Sie werden allerdings ihren ökonomischen Einsatz beim Krieg mit Rücksicht auf ihre eigenen knappen Budgetverhältnisse diesmal niedriger halten als beim Irak-Krieg: Äußerst massive Luftangriffe etwa ab Ende April/Anfang Mai 2007 auf die gesamte zivile Infrastruktur des Irans, nur wenige Bodentruppen mit ganz speziellen Aufgaben, das alles nur wenige Monate lang. Beim Libanon sahen wir den Pilotversuch für diese Strategie.

Fazit: Es gibt ein Auf und Ab, kein "alles wird schlechter". Die Dinge ändern sich, man muss sich darauf einstellen.

Allerdings wird die Stimmung im eigenen Lande rauher werden, konservativer, besitzstandswahrender, im Grunde ängstlicher. Das wird sich auch in der Politik zeigen bei den kommenden Wahlen. Spaß ist privat, im kleinen persönlichen Umfeld. Keine Vision mehr. Begeisterung findet man heute eher weniger im satten Westen, sondern wohl mehr in den Schwellenländern, die sich ein neues Selbstbewußtsein erarbeiten. Dort gibt es offenbar echte Visionen - auch wenn die nicht immer von allen geteilt wird geschweige denn allen zugute kommt. Eine Welle 5 würde für uns in Europa eine Fortsetzung dessen erlauben, was wir kennen, bei minimalem Wachstum in der EU selbst. Die sozialen Sicherungssysteme bräuchten noch nicht geschlachtet zu werden. Besitzstandswahrung - nicht als Vision, an die man glaubt, sondern als Ziel, dass man will. Immerhin würde eine Welle 5 uns in Euroland noch eine ganze Weile lang mentale und materielle Sicherheit geben - ein hohes Gut in der heutigen Zeit.

Wie gesagt, da scheint ein mächtiges Muster am Werk zu sein. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir eine Fortsetzung eines Angriffskrieges des Westens auf "unkooperative" Ölstaaten im Nahen Osten erleben werden: Nach dem Irak wird nun Iran angegriffen werden. Danach dürfte eine zeitlich begrenzte weltwirtschaftliche Aufwärtsphase beginnen. Wie genau sich diese einfügen wird in den ganz langfristigen Entwicklungszyklus der Hemoniemacht USA - dass weiss ich ich heute noch nicht.

Geändert von Benjamin (01-09-2006 um 10:21 Uhr)
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