Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 10-08-2006, 20:51   #529
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Richtungssuche zwischen Terror und Fed

Die US-Börsen haben am Donnerstag eine erstaunliche Kehrtwende hingelegt. Ein von den britischen Behörden verhinderter Terror-Anschlag hatte Anleger am Morgen tief beunruhigt, am Mittag jedoch fangen sich die Indizes und wenden sich wichtigeren Themen zu – die Konjunkturdiskussion beherrscht den Markt wieder.

Das ist zwar erstaunlich angesichts der Gravität der Terror-Nachrichten und der Tatsache, dass sich nach den britischen auch sämtliche US-Behörden bis hin zum Heimatschutzminister, dem Generalstaatsanwalt und sogar Präsident George W. Bush umgehend zu dem verhinderten Anschlag äußerten und das Thema vielleicht noch mehr aufbauschten als es nötig gewesen wäre. Es ergibt aber wenigstens Sinn, dass sich die Börse mit der Geschichte nicht allzu lange aufhält. Denn: Ein verhinderter Anschlag hat keine Folgen auf den Markt.

Das haben mittlerweile sogar die leidgeprüften Anleger in der Airline-Branche erkannt. Aktien von United und Continental Airlines, die am Morgen in den Keller gegangen waren, haben am Mittag ihre Verluste wieder gutgemacht, der Branchenindex notiert gar mit einem Plus von 1 Prozent. Offensichtlich hält sich die Angst vor einem radikalen Einbruch des Flugverkehr in Grenzen, während der Optimismus gegenüber einer Branche steigt, die in den letzten Jahren dramatisch die Kosten gesenkt und die Margen erhöht hat. Dass United Airlines kürzlich den ersten Quartalsgewinn seit fünf Jahren auswies wiegt bei Investoren schwerer als die recht vage Befürchtung, dass die jünsgten Terror-Nachrichten den Flugverkehr wieder zum Erliegen bringen könnten.

Das ist auch nicht zu erwarten. Seit den ersten großen Terroranschlägen der letzten Jahre, den Angriffen auf World Trade Center und Pentagon, ist die Reaktion fliegender Touristen und Geschäftsleute auf einzelne Attacken immer geringer ausgefallen. Die Anschläge in London und Madrid bremsten den internationalen Tourismus kaum mehr aus, entsprechend wirkten sie sich jeweils nur schockartig auf die Aktien aus.

Das leichte Plus der Wall Street am Donnerstagmittag ist also in bezug auf die jüngsten Entwicklungen nicht erstaunlich. Da ist schon weniger klar, warum die Börse andere Sorgen wie die Krise in Israel/Libanon oder den hohen Ölpreis so einfach wegstecken kann. Immerhin handeln die großen Indizes tapfer auf hohem Niveau.

Eines ist allerdings klar: Von Stabilität will derzeit auf dem New Yorker Parkett keiner sprechen. Die Luft ist dünn, nicht zuletzt weil die Zinsentscheidung der Notenbank noch immer nicht klar interpretiert worden ist. Die Wall Street sieht ein Tauziehen von Bullen und Bären, und insofern sollten kleine Tagesgewinne oder -verluste zur Zeit auf keinen Fall überbewertet werden.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten