Tschüss Wal-Mart!
Die deutsch-amerikanische Freundschaft ist zumindest auf politischem Niveau recht stabil. Den guten Beziehungen zwischen Berlin und Washington konnte jüngst sogar die Grapsch-Attacke von George W. Bush auf Kanzlerin Merken nichts anhaben. In der Bevölkerung sieht das anders aus, wie das Schicksal von Wal-Mart zeigt.
Der weltgrößte Einzelhändler, der seit Jahrzehnten den Verbraucher in den USA nahezu beherrscht und erfolgreich 2700 Filialen in 17 weiteren Ländern betreibt, muss ausgerechnet in Deutschland aufgeben. Das Unternehmen hat den nach USA und Japan drittgrößten Markt der Welt völlig falsch eingeschätzt. Jetzt verkauft man alle 85 Geschäfte an den Konkurrenten Metro und schreibt einen Verlust von 1 Milliarde Dollar ab. Die Deutschen mochten Wal-Mart nicht.
In der Konzernzentrale ist nun die Enttäuschung groß. Als einer der weltgrößten Konzerne überhaupt ist Wal-Mart kaum Enttäuschungen gewohnt. Doch hat man die Schlappe in Deutschland nicht unbedingt dem dortigen Verbraucher zuzuschreiben, sondern vor allem der eigenen Arroganz. Wal-Mart nämlich hatte es sich seit Eröffnung der ersten Filiale vor fast einem Jahrzehnt viel zu leicht gemacht und tatsächlich geglaubt, dass sich Marktpraktiken aus den USA und anderen Märkten einfach übertragen ließen.
Das klappte nicht in einem Land, wo Discountmärkte einen deutlich höheren Marktanteil im Einzelhandel haben als in anderen Länder. Und wo Aldi als billigster Anbieter so bekannt ist, dass der Laden längst weniger Einkaufsziel als vielmehr Lebensgefühl ist. Wal-Mart kam nach Deutschland also als Underdog, musste gegen die Konkurrenz anarbeiten, die man in den USA schon lange abgehängt hat.
Zudem musste Wal-Mart lernen, dass sich zahlreiche Gewinnsysteme in Deutschland nicht umsetzen ließen, da Mindestlohn und Sozialleistungen anders geregelt sind als in den USA, wo Mitarbeiter für Überstunden oft nicht bezahlt und zu Sonderschichten gezwungen werden konnten. Dass die deutschen Mitarbeiter bessere Arbeitsbedingungen hatten als die US-Kollegen, hieß indes nicht, dass sie den Alltag bei Wal-Mart irgendwie erträglicher gefunden hätten. Den täglichen Morgenappell mochten die deutschen Verkäufer ebenso wenig wie Otto Normalverbraucher am Ladeneingang von einem „Greeter“ begrüßt werden wollten.
So funktionierte Wal-Mart in Deutschland also auf allen Ebenen nie. Dass die US-Mutter nun den Stecker zieht, ist nur konsequent – und dürfte der deutsch-amerikanischen Freundschaft gut tun. Denn Wal-Mart war stets ein schlechter Botschafter Amerikas, da das Unternehmen vor allem für Ungerechtigkeiten, soziale Ausbeutung und rücksichtsloses Gewinnstreben auf Kosten von Umwelt und Kultur steht. Ohne den Konzern sind die Beziehungen beider Länder besser.
Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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