Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 26-07-2006, 21:01   #519
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 34.578
Washingtons neueste Öl-Groteske

Der Ölpreis bewegt den Verbraucher, die Börse und Washington. Mit sinkenden Lagerbeständen, einer instabilen Lage in vielen Förderregionen und der weltweit explodierenden Nachfrage entscheidet der Umgang mit dem Rohstoff immer mehr, wer im internationalen Konkurrenzkampf die Nase vorn hat.

Dass – und vor allem wie – sich Washington erneut mit dem Schwarzen Gold beschäftigt, ist allerdings grotesk. Republikaner und Demokraten haben in dieser Woche zwei neue Gesetzentwürfe eingebracht, über die der Kongress nun debattiert. Kernstück im Konzept der Republikaner: Die Förderung von Öl im eigenen Land, also die Öffnung des Naturschutzgebiets ANWR in Alaska für die Konzerne.

Bereits dreimal hat der Kongress die Förderung in ANWR abgelehnt. Dass das Projekt nun ein viertes Mal in der Vorlage ist kann nur eines heißen: Die Republikaner sehen wenige Monate vor den Kongresswahlen ihre Felle davonschwimmen und suchen ein Killer-Argument, um sich im Wahlkampf gegen die Demokraten zu wehren. Das Argument soll sein: Lieber Wähler, wir haben versucht, mehr eigenes Öl zu fördern, was den Ölpreis gesenkt hätte – die Demokraten haben es verhindert.

Diese Denke wird nicht aufgehen: Denn einerseits hat die Mehrheit der Amerikaner längst kapiert, dass die Vorräte im arktischen Eis im Vergleich zur Binnen- und zur globalen Öl-Nachfrage so klein sind, dass sie sich auf den Marktpreis kaum auswirken würden. Um höchstens ein bis zwei Cent würde der Preis pro Fass wohl sinken, haben Experten berechnet, und dass wohlgemerkt frühestens ab 2015, wenn das erste Öl in Alaska gefördert und durch die noch zu bauende Pipeline fließen würde.

Dazu kommt, dass ein Schein-Argument der Republikaner pro ANWR längst nicht mehr zieht. Angeblich sieht die GOP – offiziell „Grand Old Party“, inoffiziell „Grand Oil Party“ – die Förderung in Alaska nämlich vor allem als Einnahmequelle. Bis zu 40 Milliarden Dollar dürften Exxon & Co. laut dem kalifornischen Abgeordneten Devin Nunes an Gebühren an den Staat abtreteb. Die will man angeblich in einen Fond zur Entwicklung alternativer Energien stecken.

Das dürfte den Republikanern freilich niemand mehr abnehmen. Zu oft hat die Regierung den Öl-Multis zuletzt Steuererleichterungen in Milliardenhöhe geschenkt oder, wie zuletzt, sämtliche Abgaben aus der Förderung im Golf komplett erlassen. Seit Jahren ist völlig klar, dass der Partei nicht die Suche nach alternativen Rohstoffen am Herzen liegt, sondern das Wohlergehen der Öl-Konzerne, die bekanntlich zu den größten Parteispendern gehören.

Einige Ausführungen zur Ethanol-Förderung und zum Bau von Solar-Anlagen dürften die Republikaner folglich eher zur Zierde in den aktuellen Entwurf geschrieben haben. Wie wenig der Partei an einer geringeren Abhängigkeit von ausländischem Öl gelegen ist, lässt sich ja nicht zuletzt daran erkennen, dass Ideen zum Energiesparen erneut komplett fehlen und sich die Energiepolitik weiter ausschließlich auf die Gewinnung von Resourcen konzentrieren soll.

Etwas grüner klingt da das Gegenkonzept der Demokraten. Bis zu 10 Milliarden wollen diese in die Forschung an alternativen Energien stecken, sie gehen detailliert auf Solarenergie und Ethanol ein. In Sachen Energiesparen fällt der Partei der Ausbau des öffentlichen Nahverkehr ein, außerdem soll die Autoindustrie zur Einhaltung höherer Verbrauchsstandards genötigt werden. Der Haken am Konzept der Demokraten: Die Finanzierung ist völlig offen. Man habe dazu noch keine Ideen, so der Abgeordnete Steny Hoyer aus Maryland, einer der Autoren des Entwurfs.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten